Univ.-Prof. Dr. med. Dieter Christian Wirtz
Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU), Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Bonn
Dass Bewegung gut ist, weiß fast jeder. Aber bewegen wir uns wirklich ausreichend? Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bewegt sich jeder Zweite in Mitteleuropa zu wenig. In unserer Wohlstandsgesellschaft fährt man lieber mit dem Auto als zu Fuß zu gehen oder mit dem Rad zu fahren. Man sitzt lieber am Fernsehen oder Computer, als sich im Sportverein zu aktivieren. Auch beruflich ist eine sitzende Tätigkeit über viele Stunden im Büro nicht gerade förderlich für das Herz-Kreislauf-System und den Bewegungsapparat.
Besonders typisch für unsere moderne Gesellschaft sind Rückenschmerzen. In Deutschland haben etwa acht von zehn Menschen schon mal Rückenschmerzen im Laufe ihres Lebens gehabt. Ursache dafür sind häufig Fehlhaltungen, langes Sitzen, nicht rückengerechtes Arbeiten, Übergewicht und vor allem zu wenig Bewegung. Die gute Nachricht ist: In 80 Prozent der Fälle liegt keine wirkliche Erkrankung vor wie beispielsweise ein Bandscheibenvorfall oder eine knöcherne Enge des Wirbelkanals – die Beschwerden bessern sich meist innerhalb weniger Tage und Wochen.
Als Faustregel für Rücken- und Gelenkbeschwerden gilt: Die meisten Beschwerden lassen sich durch Bewegung und sportliche Aktivität bis ins hohe Alter bessern.
Vorbeugend hilft körperliche Bewegung und Sport. Dadurch werden muskuläre Verspannungen gelockert und die Wirbelsäule stabilisierenden Muskelgruppen gekräftigt. Studien belegen, dass fünf Stunden körperliche Bewegung – beispielsweise Spazierengehen – pro Woche notwendig sind, um ein tägliches Sitzen von acht Stunden und mehr auszugleichen. Täglich eine Stunde bzw. drei bis vier Stunden pro Woche Sport führt darüber hinaus nachweislich zu einem deutlich geringeren Herzinfarkt-, Bluthochdruck-, Diabetes-, Krebs- und Osteoporose-Risiko.
Auch zur Vorbeugung von Gelenkerkrankungen macht das richtige Maß an Bewegung Sinn. An dem Spruch „wer rastet, der rostet“ ist etwas Wahres dran. Nur durch die natürliche Bewegung des Gelenkes wird die Gelenkflüssigkeit produziert, die zur „Schmierung“ des Gelenkes wichtig ist. Ohne diese Schmierung „läuft das Gelenk trocken“ und führt zur Knorpelschädigung bzw. Arthrose. So braucht auch und gerade das vorgeschädigte Arthrosegelenk ein gewisses Maß an Bewegung, um geschmiert zu bleiben.
Als Faustregel für Rücken- und Gelenkbeschwerden gilt: Die meisten Beschwerden lassen sich durch Bewegung und sportliche Aktivität bis ins hohe Alter bessern. Beschwerden, die trotz dieser Maßnahmen länger als vier bis sechs Wochen andauern, sollten ärztlich abgeklärt werden. Fachärzte für Orthopädie und Unfallchirurgie sind die Spezialisten auf diesem Gebiet. Mit unterschiedlichen Untersuchungstechniken ist es ihnen möglich, sowohl die richtige Diagnose zu stellen als auch die optimale, auf jeden Einzelnen abgestimmte Therapie einzuleiten. Dabei gilt fast immer: konservativ vor operativ. Erst dann, wenn sich die Beschwerden durch konservative Therapiemaßnahmen nicht wirklich bessern lassen und die Mobilität sowie Lebensqualität deutlich eingeschränkt sind, ist die Indikation zu einer Operation gegeben. Gerade bei fortgeschrittenen, sehr schmerzhaften Arthrosen ist der künstliche Gelenkersatz dann eine sehr erfolgreiche Methode. Von wem und in welcher Klinik man sich operieren lässt, ist Vertrauenssache. Als Empfehlung gilt hierbei darauf zu achten, ob die Klinik ein Endoprothesenzentrum mit EndoCert®Zertifikat ist und ob die Klinik am Endoprothesenregister Deutschland (EPRD) teilnimmt. Beides sind langjährige Qualitätsinitiativen der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC).
Wichtig ist: Auch mit einem künstlichen Gelenk kann man Sport treiben; allerdings ist nicht jeder Sport geeignet. Als gelenkfreundliche Sportarten gelten vor allem Schwimmen, Radfahren, Wandern oder Golf. Ballsportarten und Skifahren sollte man eher vermeiden. Letztendlich bleibt es aber jedem selbst überlassen, was er sich und seinem Gelenk zutraut.
Denken Sie daran: Bewegung und Sport sind die beste Medizin. Bleiben Sie aktiv – und dies auch in Corona-Zeiten.