Bei Suchtproblemen bieten viele Hilfsangebote einen Ausweg.
Dr. Wibke Voigt
Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes für stationäre Suchtkrankenhilfe e. V.
Foto: Katholische Kliniken Ruhrhalbinsel
Volltrunken landet er mit dem Auto im Graben
Noch mal Glück gehabt, nur Beinbruch und Totalschaden. Als er im Krankenhaus aufwacht, weiß er, dass er endlich etwas tun muss. Er braucht Hilfe. Bei der Visite spricht er es aus, zum ersten Mal in seinem Leben: „Ich habe ein Alkoholproblem.“ Mit seinen Freunden trank er regelmäßig am Wochenende, bald trank er täglich. Als der Kasten Bier nicht mehr reichte, kam der Wodka dazu. Seine Frau zog mit den Kindern aus, vom Chef kassierte er zwei Abmahnungen. Die Folge: Steigerung auf zwei Flaschen Wodka täglich.
Wie geht es weiter? Mit seinem Einverständnis verlegt ihn die Ärztin in den dreiwöchigen Qualifizierten Entzug. Dort lernt er, dass er alkoholkrank ist. Er hatte gedacht, dass nur die Obdachlosen auf der Straße Alkoholiker seien. Der Sozialarbeiter der Station stellt einen Antrag bei der Rentenversicherung für eine Entwöhnungsbehandlung (Rehabilitation): 15 Wochen. So lange? Nicht vorstellbar!
Er ist froh, dass sich die Entwöhnungsbehandlung nahtlos anschließt. Mit Gehgips kann er am Therapieprogramm teilnehmen. Gruppentherapie, Einzelgespräche, Ergotherapie, Kunsttherapie, Rückfallprophylaxe, Angehörigengespräche mit seiner Frau. Er schreibt seinen Suchtverlauf. Ihm wird klar, dass seine „Trinkerkarriere“ schon viel früher begonnen hat, als er gedacht hatte. Der tödliche Unfall seines Freundes beim nächtlichen Baden im Vollrausch – das ist der Knackpunkt. Die Ohnmacht, als es passierte, die Schuldgefühle danach. Er hat Glück. Seine Ärztin ist eine erfahrene Trauma-Therapeutin. Durch die Traumakonfrontation verschwinden die Albträume, gegen die der Wodka so gut „half“.
Seit der Entlassung aus der Entwöhnungsbehandlung besucht er zur Stabilisierung seiner Abstinenz eine ambulante Nachsorgegruppe und eine Selbsthilfegruppe. Er trifft jetzt regelmäßig seine Frau und seine Kinder, mit seinem Chef hat er offen über seine Alkoholkrankheit gesprochen. Wenn er abstinent bleibt, steht eine Beförderung in Aussicht. Seine Frau denkt über ein Zusammenziehen nach …
Solche Geschichten sind kein Einzelfall. 1,6 Millionen Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren wiesen im Jahr 2018 eine Alkoholabhängigkeit auf, 1,4 Millionen konsumierten Alkohol in schädlichem Ausmaß (Jahrbuch Sucht 2020). Sucht ist eine Krankheit und kann – insbesondere bei Abhängigkeit von Alkohol – mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgreich behandelt werden. Der erste Schritt besteht im Aufsuchen einer Suchtberatungsstelle. Oft führen leider erst Unfälle oder Extremsituationen zu einem Umdenken.
In Deutschland gibt es ein sehr gutes Hilfesystem für Menschen, die Probleme mit dem Konsum von Alkohol, Medikamenten, Cannabis und anderen illegalen Drogen oder mit exzessiven Verhaltensweisen (Internetsucht, Glücksspiel) haben, und für Ihre Angehörigen. Die Türen stehen offen!
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Weitere Informationen finden Sie unter www.suchthilfe.de und auf www.konturen.de