Körperliche Beschwerden, Krankheit, Tod und Sterben sind unangenehme Themen, sie werden in unserer Gesellschaft gemieden. Obwohl der Tod durchaus präsent ist: Im Fernsehen und in Zeitungen wird in allen Facetten darüber berichtet. Die Menschen interessieren sich für das Schicksal anderer, Bücher wie der „Patient ohne Verfügung“ des Palliativmediziners Matthias Thöns oder Filme wie Andreas Dresens „Halt auf freier Strecke“ bewegen wochenlang das Publikum. Doch mit der eigenen Endlichkeit befasst sich kaum jemand freiwillig. Verständlich, aber fatal, denn nur wer rechtzeitig vorsorgt, kann im Ernstfall selbst bestimmen, wie und wo das eigene Leben endet.
Der Deutsche Hospiz- und Palliativverband hat im vergangenen Jahr herausgefunden, dass die Mehrheit der Deutschen friedlich zuhause sterben will. Tatsächlich aber stirbt jeder zweite in Deutschland im Krankenhaus, im Alten- oder Pflegeheim, wie aus der Befragung des Verbandes hervorgeht. Oft sterben die Menschen isoliert und einsam nach langer, schwerer Krankheit.
Die Vorsorge für den Ernstfall ist deshalb aber kein Thema, für das sich ausschließlich Ältere interessieren sollten. Studenten, die im dichten Großstadtverkehr mit dem Fahrrad zur Uni fahren, sollten ebenso vorsorgen wie junge Leute, die in ihrer Freizeit gerne mit Freunden klettern gehen. Ob durch Krankheit oder Unfall, das Lebensende kann in jedem Alter plötzlich und unerwartet eintreten.
Spätestens, wenn wir selbst in die Situation geraten, einen nahestehenden Menschen verabschieden zu müssen, werden wir mit unserer Endlichkeit konfrontiert und müssen uns damit auseinandersetzen. Es ist wichtig, frühzeitig Ängste auszusprechen und diese mit Familie oder Freunden zu teilen. Denn wer sich zu Lebzeiten bewusst mit dem eigenen Tod auseinandersetzt, kann selbstbestimmt und ohne Bevormundung sterben.
Etwa neun von zehn Patientenverfügungen sind nicht hinreichend wirksam.
Wer Verfügungen für sein Ende trifft, verschafft sich nicht nur selbst die Sicherheit, sein Leben bis zum Schluss gestaltet zu haben, sondern entlastet auch die eigenen Angehörigen. Die müssen ohne Vorsorge nämlich plötzlich weitreichende Entscheidungen treffen. Die wenigsten wissen dann genau, welche Einstellung Sie zum Sterben hatten, welche medizinischen Maßnahmen Sie abgelehnt und welche Möglichkeiten Sie genutzt hätten.
Niemand möchte sich vorstellen, wie er den Apparaten ausgeliefert hilf- und manchmal auch hoffnungslos auf das Ende wartet. Wer selbst darüber entscheiden möchte, was mit ihm im Falle von Hirnschlag, Langzeitkoma oder unheilbarerer Erkrankung geschieht, kann mit einer Patientenverfügung vorsorgen.
Für die behandelnden Ärzte ist eine Patientenverfügung rechtlich bindend. Allerdings nur dann, wenn sie klar und eindeutig ist. Allgemeine Formulierungen wie “Ich möchte keine Apparatemedizin” oder “Wenn mein Leben nicht mehr lebenswert ist, möchte ich nicht unwürdig dahinsiechen” lassen zu viel Interpretationsspielraum. Denn ob jemand schon „dahinsiecht“ oder noch „bettlägerig“ ist, ist Auslegungssache. Selbst so ein Wort wir „aussichtslos“ ist nicht hilfreich, denn welcher Arzt kann schon verbindlich versichern, dass nicht doch noch ein Wunder geschieht?
Was für den Einzelnen lebenswert ist oder nicht, kann der Arzt nicht wissen. Die Frage, wie jemand zu Nutzen und Risiken der „Apparatemedizin“ steht oder wo für jemanden „unerträglich quälendes Leiden“ anfängt, ist sehr individuell. Hier kommen vielfältige biographische, ethische und philosophische Einstellungen ins Spiel. Eine ideale Patientenverfügung geht differenziert und ausführlich auf persönliche Wertvorstellungen und medizinische Aspekte ein. Entscheidend dabei ist aber, dass die Formulierungen präzise und für Ärzte eindeutig sind.
Etwa neun von zehn Patientenverfügungen sind nicht hinreichend wirksam, weil die meisten online verfügbaren Formulare die persönlichen Wünsche von Patienten nur selten eindeutig abbilden. Eine individuelle Beratung zu medizinischen Aspekten und deren Konsequenzen ist im Zuge des Verfassens einer Patientenverfügung daher ratsam. Eine mögliche Anlaufstelle für eine solche Beratung ist die Zentralstelle Patientenverfügung im Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg, die neben anderen auch vom Bundesjustizministerium empfohlen wird. In der Beratungsstelle informieren qualifizierte Fachkräfte persönlich (auch telefonisch) und erstellen medizinisch fundierte und rechtssichere Patientenverfügungen nebst den notwendigen Vollmachten.