Das Thema HIV und AIDS wird von den Medien nur noch selten aufgegriffen. Auf medizinischen Kongressen wird über immer neue Fortschritte der HIV-Therapie berichtet, auch wenn HIV und AIDS weiterhin nicht heilbar sind. Ist das Leben mit HIV inzwischen also unproblematisch? Die Antwort ist: ja und nein. Die laut Robert Koch-Institut circa 88.400 in Deutschland mit HIV lebenden Menschen sind keine homogene Gruppe. Der Zeitpunkt der Feststellung der Infektion, eine frühzeitig beginnende Behandlung, die Einkommenssituation, der Aufenthaltsstatus bei Geflüchteten oder Migrant(inn)en oder die Verlässlichkeit des Freundeskreises sind einige der Faktoren, die entscheiden, ob HIV jemandem mehr oder weniger Probleme bereitet.
Erkrankte entsprechen oft nicht mehr dem Idealbild eines aktiven und produktiven Teils der Gesellschaft.
Weit mehr als die Hälfte der mit HIV lebenden Menschen in Deutschland geht weiterhin einer Arbeit nach. Sie sind gesellschaftlich integriert und erfolgreich therapiert. Daneben gibt es viele HIV-positive Menschen, deren soziale Lage ungesichert ist und die auch schon vor dem positiven HIV-Test in Armut lebten. Von Schwierigkeiten geprägt ist auch die Lage HIV-positiver Migrantinnen und Migranten oder die Situation HIV-positiver Geflüchteter. Die Unsicherheit bezieht sich nicht nur auf ihren Aufenthaltsstatus, sondern ebenso auf das Erlernen einer neuen Sprache, unbekannter gesellschaftlicher Umgangsformen, eines gleichberechtigten Umgangs zwischen Männern und Frauen und auf unbekannte Zugänge zum Gesundheitssystem.
Der Bedarf an Unterstützung variiert zwischen den beschriebenen Gruppen stark, ebenso die Art der notwendigen Hilfe. Daher gehen die lokalen AIDS-Beratungen und die Deutsche AIDS-Stiftung mit individuellen Hilfsangeboten und Projektförderungen auf die jeweiligen Notlagen ein.
Neben der medizinischen hat jede Krankheit, ganz besonders aber eine HIV-Infektion, auch eine gesellschaftliche Dimension. Erkrankte entsprechen oft nicht mehr dem Idealbild eines aktiven und produktiven Teils der Gesellschaft. Je nach Art der Krankheit erhalten die Erkrankten eher gute Wünsche, Mitleid, befangenes Schweigen, oder sie erfahren Ablehnung, im besten Fall aber auch Akzeptanz. HIV zählt zu den Infektionen, denen eher mit Schweigen und Ablehnung begegnet wird.
Das offene Gespräch über HIV und AIDS sowie Akzeptanz und gelebte Solidarität verbessern die Lebensqualität.
Um die Tabuisierung von HIV und AIDS zu überwinden, müssen wir daher offen über den Schutz vor HIV, und dazu gehören auch Themen wie Sexualität, Drogenkonsum und Homosexualität, sprechen. Nur so schaffen und stabilisieren wir ein gesellschaftliches Klima, das gegen die Stigmatisierung und Ausgrenzung HIV-infizierter und an AIDS erkrankter Menschen gerichtet ist. Das Robert Koch-Institut schätzt, dass zurzeit circa 12.700 der 88.400 mit HIV lebenden Menschen in Deutschland noch nicht von ihrer HIV-Infektion wissen. Viele von ihnen befürchten eine HIV-Infektion, scheuen aus Angst vor Diskriminierung jedoch den HIV-Test. In einer offenen, liberalen Gesellschaft mit niedrigschwelligen Testangeboten wird ihnen die Testentscheidung erleichtert. Dabei könnten sie nach einem positiven Testergebnis von einer früh einsetzenden Therapie sehr profitieren.
Das offene Gespräch über HIV und AIDS sowie Akzeptanz und gelebte Solidarität verbessern die Lebensqualität und den Alltag HIV-positiver Menschen entscheidend. Nicht nur am Welt-AIDS-Tag sind wir alle dazu aufgerufen, solidarisch mit HIV-positiven Menschen zusammenzuleben.