Die Diagnose LHON stellt Betroffene und ihre Angehörigen vor große neue Herausforderungen. So auch bei Katrin. Bei ihrem Sohn Lucas wurde die Diagnose vor drei Jahren gestellt. Nachfolgend schreibt Katrin, wie sie damit umgegangen sind und wie es ihnen heute geht.
Lucas war elf Jahre alt, als er scheinbar plötzlich Schwierigkeiten beim Lesen bekam. Auch in der Schule konnte er der Schrift des Lehrers an der Tafel nur noch schwer folgen. Anfangs dachte ich, dass er eine neue Brille bräuchte, machte einen Termin beim Augenarzt und bat den Lehrer, Lucas nach vorne zu setzen, damit er dem Unterricht besser folgen konnte. Lucas ging mit der Situation sehr entspannt um: „Mach dir keine Sorgen, Mama, wenn ich das linke Auge zukneife, kann ich alles wieder sehen.“
Dem Augenarzt war schnell klar, dass wir mit einer Brille nicht weiterkommen. Doch was bei Lucas die Sehprobleme auslöste, machte ihn ratlos. Also ging es vom Augenarzt weiter in die Klinik. In der Neurologie war die Diagnose schnell klar: Sehnervenentzündung. Lucas wurde aus dem Rücken Nervenwasser entnommen. Es folgte eine Therapie mit hoch dosiertem Cortison für zwei Wochen. Jedoch zeigte die Therapie keine Wirkung. „Eigentlich müsste sich die Sehnerventzündung bei Gabe von Cortison verbessern“, versicherte mir der Kinderneurologe. „Eigentlich“, dachte ich, aber warum nicht bei meinem Kind?
Die Monate vergingen, Lucas sah immer schlechter und wir waren mehr und mehr verzweifelt. Erst in der dritten Augenklinik kam dann das erste Mal der Verdacht auf eine genetisch bedingte Augenerkrankung auf, nachdem sich auch das zweite Auge verschlechterte. Anfangs konnte ich das nicht glauben. Schließlich war eine genetisch bedingte Augenerkrankung in unserer Familie nicht bekannt. Doch ein Gentest brachte Gewissheit: die Diagnose LHON. Die Ärztin hielt meine Hand und meinte: „Ich weiß, wie Sie sich jetzt fühlen. Vielleicht erholt sich seine Sehkraft wieder nach einem Jahr.“ Mit dieser Diagnose wurden Lucas und ich aus dem Krankenhaus entlassen. Der Boden unter mir war wattig, mein Herz ein stechender Klumpen. Wie es weitergehen soll, wusste ich in dem Moment nicht.
Ich habe begonnen, mich einzulesen, habe Kontakt zu anderen Betroffenen aufgenommen und viele Fragen gestellt. Mein starker Junge hat schneller wieder zurück ins Leben gefunden als ich. In der Schule wird er seit einem Jahr von einem Integrationshelfer begleitet. Er hilft beim Lesen mit dem Bildschirmlesegerät und liest bei Bedarf vor, was der Lehrer an die Tafel schreibt.
Besonders schwer fällt mir die Tatsache, dass ich meinem Kind diese Erkrankung vererbt habe. Dann habe ich sehr traurige Momente, wo ich denke, es hätte auch alles anders kommen können. Mein ganzes Umfeld erscheint mir so traurig. Aber ich versuche, positiv zu denken.
Zum Glück hat Lucas seinen Lebensmut nie aufgegeben: Er hat große Freude an Judo. Zum Judo geht er zusammen mit sehenden Kindern, und da ist er dann doch nicht mehr anders!
5 Fakten zu LHON
1. Die Lebersche hereditäre Optikusneuropathie ist eine erblich bedingte Erkrankung, bei der es durch eine mangelnde Energieversorgung in der Netzhaut zu einer Schädigung des Sehnervs kommt.
2. In Deutschland sind ca. 3.000 Menschen da-von betroffen. Meistens sind dies junge Männer im Alter von 15 bis 30 Jahren.
3. Die ersten Symptome bleiben oft unbemerkt: ein plötzlicher einseitiger Sehverlust, der schmerz-los einhergeht. Das zweite Auge folgt innerhalb einiger Wochen. Betroffen ist hauptsächlich das zentrale Sehen, das für das Lesen und das Er-kennen von Gesichtern verantwortlich ist.
4. Eine vollständige Heilung der LHON ist momentan nicht möglich. Für die betroffenen Patienten bedeutet der rapide Verlust ihrer Sehfähigkeit eine hohe Beeinträchtigung der Lebensqualität. Eine Behandlung mit einem Medikament, wel-ches zu einer Verbesserung der Sehschärfe führen kann, ist möglich. Eine Gentherapie zu LHON befindet sich momentan in der Zulassung.
5. Um die Erkrankung besser zu verstehen, hat die Selbsthilfeorganisation PRO RETINA eine Verlaufsstudie zu LHON ins Leben gerufen.