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    Die schönste Sache, die man nicht sehen kann

    Foto: Rolf Husmann

    Blindenfußball erfreut sich einer stetig steigenden Beliebtheit, die deutsche Meisterschaft ist längst eine ernst zu nehmende Sache geworden. Anlässlich der Woche des Sehens haben wir die deutschen Blinden-Nationalspieler Alexander Fangmann (Kapitän) und Sebastian Themel (Torwart, sehend) zum Interview gebeten.

    Sebastian Themel

    Torwart (sehend)

    Alexander Fangmann

    Kapitän (blind)

    Alexander, wie kam es bei dir zum Sehverlust?

    Alexander Fangmann (AF): Ich wurde nicht blind geboren. Ich hatte seit dem 6. Lebensjahr verschiedene Augenkrankheiten, die operativ behandelt wurden, und nach der 10. Operation kam es zu einer Netzhautablösung, die sich dann auch als nicht mehr reparabel erwies. Da war ich acht Jahre alt.

    Was bedeutet das für ein Kind?

    AF: Sportlich betrachtet hatte ich mich schon davor immer weiter zurückziehen müssen, einfach aufgrund der Augenkrankheiten. Aber der Sport stand gar nicht im Vordergrund, sondern es galt, ein ganzes Leben umzubauen. Ich bin fast froh, dass es mir so früh passiert ist, weil man in diesem Lebensalter sowieso jeden Tag etwas Neues lernt. Nach einem Jahr in der Blindenschule war ich zurück in meiner Grundschule, am Wochenende war ich nach wie vor mit meinen Freunden von vorher unterwegs. Die waren vor allem happy, dass ich immer noch mit dabei war, auch wenn man mich etwas an die Hand nehmen musste.

    An die Hand nehmen als Stichwort: Wie lief das mit der Unterstützung im Alltag?

    AF: Ich hatte bis zum Abitur einen Zivildienstleistenden an der Seite, der im Alltag assistiert hat, etwa beim Schulweg. Ich hatte ab der fünften Klasse einen Laptop in der Schule. Das war damals besonders, aber heute wird ja alles smarter, und das hilft meistens gerade auch blinden Menschen, zum Beispiel Trainingsapps und Sprachassistenten. Früher musste man riesige Kämpfe austragen, heute ist Sprachausgabe im Handy Standard für alle, auch Barrierefreiheit ist kein Thema mehr.

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    Sebastian, du selbst hast keine Einschränkungen in der Sicht, spielst aber Blindenfußball. Wie kann man sich das vorstellen?

    Sebastian Themel (ST): Das Spielfeld ist durch Banden begrenzt und dreigeteilt, wobei es in jeder Zone einen Guide gibt, der Anweisungen gibt. In der Verteidigungszone ist das der Torhüter, das ist meine Rolle dort. Der Ball hat Rasseln, damit die Spieler ihn hören können. Sehr spannende Sache – ein Freund hat mich damals mitgenommen, die von ihm trainierte Mannschaft einmal zu unterstützen. Ich war davor schon als Tormann aktiv und habe dem einmal eine Chance gegeben. Seit 2015 bin ich jetzt in der Liga dabei.

    Was ist für dich das Faszinierende an diesem Sport?

    ST: Mich begeistert, wie frei sich die Spieler im Raum bewegen und wie körperlich intensiv es zur Sache geht, da ist wirklich Geschwindigkeit und immer mehr Professionalität dabei. Technisch und taktisch entwickelt sich der Sport in Deutschland gerade unglaublich stark.

    Was war für dich persönlich bis jetzt der größte Erfolg?

    ST: Letztlich die deutsche Meisterschaft mit Marburg 2019, dicht gefolgt vom Vizemeistertitel 2015 mit Chemnitz, weil das eine noch viel größere Überraschung war und wir die Meisterschaft nur knapp verpasst haben.

    https://youtu.be/5u6SfraZcvg
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    Alexander, wie ist das bei dir?

    AF: Ich bin ja schon länger dabei, hatte viel Glück mit meinen Teamkollegen und war sieben Mal deutscher Meister, wobei 2018 nach einer gewissen Pause ein schöner Erfolg war, der bestätigt hat, dass Veränderungen manchmal guttun. Für den Standort Stuttgart war es auch wichtig.

    Du engagierst dich ja auch nebenher für den Sport. Was motiviert dich, was bräuchte es für den Sport?

    AF: Durch die Sportlerkarriere bin ich in diverse Verbandsfunktionen reingerutscht, als Spielervertreter oder bei der Sepp-Herberger-Stiftung. Überall dort versuche ich natürlich, den Blindensport voranzubringen. Rein strukturell dauern Dinge einfach ihre Zeit. Das Thema Förderungen würde für sich allein Bände füllen, Geld braucht’s ja logischerweise immer und überall. Es ist nicht einfach, die Leute zu finden – etwa eben auch sehende Torhüter, die man schon besonders motivieren muss. Wir brauchen immer gute Leute und sind für die auch immer offen. Meldet euch gerne!

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