Magen- und Darmprobleme, Verdauungsbeschwerden, Blähungen, Durchfall: Viele Menschen scheuen sich nach wie vor, über diese Themen zu sprechen. Dr. Nicole Steenfatt, Inhaberin der Darmgesundheitspraxis in Bad Oeynhausen, setzt sich seit Jahren dafür ein, das Thema Darmgesundheit zu enttabuisieren. Wir sprachen mit ihr über die Bedeutung eines offenen Diskurses zu diesem Thema.
Frau Dr. Steenfatt, Sie behandeln seit Langem Menschen mit Darmerkrankungen. Warum ist es immer noch so schwer für viele Menschen, über dieses Thema offen zu sprechen?
Diese Zurückhaltung beim Thema Toilette könnte auf unsere Erziehung zurückzuführen sein. Früh lernen wir, über unsere Bedürfnisse, besonders den Toilettengang, nicht zu sprechen, um die Privatsphäre zu wahren. Obwohl die Toilette als intimer Rückzugsort betrachtet wird, wird jeder Mensch in verschiedenen Lebenssituationen, wie etwa Nervosität, mit den normalen Funktionen des Magen-Darmtrakts konfrontiert, manchmal sogar mit Durchfall. Interessanterweise bleibt dieses universelle Phänomen trotzdem oft tabuisiert, insbesondere bei Frauen.
In welcher Weise würden Ihrer Meinung nach z.B. Menschen mit chronischen Erkrankungen wie einer CED von einem offenen Diskurs zu diesem Thema profitieren?
Durch den Austausch von Informationen und Gespräche entsteht ein Informationsfluss, der dabei hilft, besser mit bestimmten Themen umzugehen, insbesondere in Bezug auf die Darmgesundheit. Hierbei ist zu verstehen, dass gesunde Ernährung, regelmäßige Bewegung und ausreichender Schlaf relevante Faktoren sind. Themen wie die Beeinflussung des Stuhlgangs werden oft vernachlässigt, aber durch die Enttabuisierung, wie in unserem Insta-Post geschehen, konnten wir eine Diskussion in den Kommentaren auslösen. Offene Diskussionsrunden bieten eine Plattform zur Aufklärung über den Zusammenhang zwischen Lebensstil und Darmgesundheit.
Das Ziel ist, Mythen zu klären und Missverständnisse zu beseitigen, was besonders auch Menschen helfen kann, die von einer CED betroffen sind, da sie so nicht mehr das Gefühl vermittelt bekommen, sich mit ihren Beschwerden verstecken zu müssen.
Unser Ziel ist es, Menschen dazu zu ermutigen, schon bei geringsten Beschwerden das Gespräch zu suchen und über ihre individuellen Risikofaktoren nachzudenken.
Kann das Tabuisieren des Themas Darmkrebs lebensbedrohlich sein?
Gewiss, denn 40 % der Darmkrebserkrankungen lassen sich durch eine Veränderung des Lebensstils vermeiden. Der Verlust eines engen Freundes an Darmkrebs hat mich tief berührt. Besonders beunruhigend war, dass er wahrscheinlich schon länger viel Blut im Stuhl hatte und das niemandem kommunizierte. Dies war ein entscheidender Moment für mich, der mir verdeutlichte, wie wenig über dieses Thema gesprochen wird.
Es ist wichtig zu betonen, dass Krankheiten wie Darmkrebs selten auf eine einzige Ursache zurückzuführen sind. Die Risikofaktoren können jedoch durch bewusste Entscheidungen minimiert werden. Oftmals sind sich die Betroffenen nicht bewusst, dass ihr Lebensstil, sei es Rauchen, Ernährung, Übergewicht oder Ähnliches, sie einem erhöhten Risiko aussetzen könnte. Besorgniserregend ist zudem, dass Menschen mit dieser Diagnose immer jünger werden, was die Dringlichkeit der Aufklärung, auch zu Vorsorgeuntersuchungen, noch unterstreicht.
Sie engagieren sich als Botschafterin beim Verein Lila Hoffnung e.V.: Was ist ihr Antrieb für dieses ehrenamtliche Engagement?
Als ich feststellte, dass Patienten immer jünger werden und bereits mit deutlichen Beschwerden wie Verstopfung, Durchfall und Blähungen konfrontiert werden, entschied ich gemeinsam mit Holger Busse, dass wir dieses Thema einfach enttabuisieren müssen. Es ist entscheidend, den Betroffenen einen Raum zu geben, in dem sie offen darüber sprechen können. Als Ärztin unterstütze ich Holger aktiv bei seinen Aufklärungsaktionen. Unser Ziel ist es, Menschen dazu zu ermutigen, schon bei geringsten Beschwerden das Gespräch zu suchen und über ihre individuellen Risikofaktoren nachzudenken.
Besonders wenn in der Familie bereits Darmkrebsfälle aufgetreten sind, sollte man im familiären Umfeld darüber sprechen, da ein erhöhtes Risiko bestehen könnte, dass weitere Familienmitglieder eine Darmkrebserkrankung entwickeln. Dabei möchten wir Hilfestellungen und Anlaufstellen bieten.