Anke Sinnigen ist Gründerin der Wissensplattform wexxeljahre und bietet verschiedene Aufklärungsprogramme für Frauen in den Wechseljahren. Außerdem engagiert sie sich mit der Gynäkologin Dr. Judith Bildau für die Aufklärung in Unternehmen.
Wir reden am Arbeitsplatz über Schwangerschaften und haben Hygieneartikel in Waschräumen, aber um die Wechseljahre machen wir einen großen Bogen. Wir wollen ja keiner Frau zu nahetreten. Denn die Menopause, das ist die letzte Blutung mit etwa 51 Jahren, wird mit dem Beginn des Verfalls des weiblichen Körpers assoziiert. Frauen verlieren ihre Fruchtbarkeit – und damit ihren Wert für die Gesellschaft. Dabei entkommen sie (endlich!) dem Östrogen-Nebel und könnten das eigene Ich mehr in den Mittelpunkt stellen. Sie wissen jetzt häufig besser, was sie wollen und was ihnen guttut als in den Jahren davor. Das Narrativ in der Gesellschaft ist aber ein anderes: Frauen in den Wechseljahren gelten als schrullige, nicht belastbare Mängelwesen, die repariert werden sollten.
Deshalb verheimlichen viele Frauen, dass sie in den Wechseljahren sind.
Aber der Abschied von der Fruchtbarkeit beginnt nicht erst in den 50ern, sondern oft bereits mit Anfang 40. Es kommt zu Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen oder unregelmäßigen Blutungen. Die Nächte, in denen Frauen wiederholt wach werden, zehren an den Nerven, die Müdigkeit beeinflusst die Leistungsfähigkeit im Job und splatterhafte Blutungen können Frauen daran hindern, das Haus überhaupt zu verlassen. Gereiztheit und Konzentrationsprobleme machen auch vor der Bürotür nicht halt, Brain fog lässt Frauen an eine frühe Form von Alzheimer denken. Die hormonelle Achterbahn nährt Selbstzweifel an der eigenen Kompetenz – und führt nicht selten zu beruflichen Rückschritten: Etwa 30 Prozent befürchten Benachteiligung, wenn andere von den Beschwerden wissen, ein Viertel reduziert deshalb die Arbeitszeit und eine von zehn Frauen kündigt ihren Job1 .
Ursache für die Beschwerden ist, dass unsere Eizellen immer weniger werden und damit die Produktion der Sexualhormone sinkt. Die Auswirkungen sind vielfältig, neben den berühmten Hitzewallungen sind auch Gelenkschmerzen, Brustspannen, Kopfschmerzen, Gewichtszunahme oder die vulvo-vaginale Atrophie typisch: Dieser Gewebeschwund, der mit Scheidentrockenheit und Schmerzen beim Sex einhergehen kann, ist selbst bei der Gynäkolog:in kaum ein Thema.
Es gibt gute Behandlungsmöglichkeiten – nur kennen Frauen diese nicht, weil es ihnen unangenehm ist, danach zu fragen und sie niemand darüber aufgeklärt hat. Das ist das größte Drama: Weil wir nicht über die Wechseljahre reden, werden Frauen schlecht betreut. Selbst im Medizinstudium spielen die Wechseljahre keine Rolle. Bei Ärzt:innen gibt es Wissenslücken und nicht mal eine eigene Abrechnungsziffer, so dass es nicht wirtschaftlich ist, diese Patientinnen zu behandeln.
Aber hier liegt eine ungenutzte Chance für Arbeitgeber: Sie könnten mit eigenen Aufklärungsangeboten punkten und neue Services bieten. 2030 wird ein Viertel der weiblichen Weltbevölkerung in den Wechseljahren sein. Es ist also höchste Zeit, sich auf die Bedürfnisse dieser riesigen Zielgruppe einzustellen – und so auch dem Fachkräftemangel zu trotzen. Denn warum sollten Frauen sich beruflich umorientieren, wenn sie in dieser Lebensphase von ihrem Arbeitgeber unterstützt werden? Und mit etwas Glück färbt das Engagement der Unternehmen auf unsere Gesellschaft ab und wir sehen in den Wechseljahren endlich neue Chancen statt nur das Ende der Fruchtbarkeit.
Quellenangaben
1 MenoSupport, deutschlandweite Befragung zum Thema Wechseljahre am Arbeitsplatz, 2023, HWR Berlin und HTW Berlin