Rund 30% der Brustkrebspatientinnen erfüllen die Kriterien für eine genetische Untersuchung in der Keimbahn, da bei ihnen eine familiäre Belastung für Brustkrebs vorliegt. Damit ist der erbliche Brustkrebs mit jährlich etwa 20.000 neu erkrankten Frauen in Deutschland eine relevante Herausforderung.
Prof. Dr. Kerstin Rhiem
Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs am Universitätsklinikum Köln
Foto: UK Köln
Mitte der 1990er Jahre wurden die ersten Risikogene für erblichen Brustund Eierstockkrebs entdeckt und das Deutsche Konsortium Familiärer Brust- und Eierstockkrebs (DK) zur Versorgung der Patientinnen und ihrer Familien mit Unterstützung der Deutschen Krebshilfe gegründet. Mittlerweile hat sich dieses zu einem Wissen generierenden Netzwerk aus 23 universitären Zentren und über 200 kooperierenden zertifizierten Krebszentren entwickelt. Seit 2021 unterzieht sich dieses Netzwerk spezialisierter Zentren im Rahmen der Zertifizierung durch die Deutsche Krebsgesellschaft einer strengen Qualitätskontrolle der einzelnen Versorgungsschritte von der Beratung über die genetische Untersuchung bis zum Angebot risikoadaptierter präventiver Maßnahmen. Zur steten Weiterentwicklung der Versorgung dokumentieren die Zentren die generierten Daten in ein Spezialregister (HerediCaRe), welches mittlerweile über 140.000 Risikopersonen umfasst und somit regelmäßige Auswertungen und Verbesserungen des Versorgungskonzeptes ermöglicht.
Kernelement des Versorgungskonzepts des DK ist das Angebot einer individualisierten Risikokalkulation unter Einbezug der bekannten Risikogene und weiterer genetischer („Polygener Risiko Score“) sowie nicht-genetischen Risikofaktoren als Grundlage für eine risikoadaptierte Prävention. Hierzu zählt die intensivierte Nachsorge von bereits erkrankten Frauen. Ihre gesunden Angehörigen können je nach individueller Erkrankungswahrscheinlichkeit intensivierte Früherkennungsuntersuchungen bis hin zu vorsorglichen Operationen in Anspruch nehmen.
Mit der bisherigen Methode der Genpanelanalyse kann aber nur bei etwa 25% der familiär belasteten Patientinnen die genetische Ursache für ihre Brust- bzw. Eierstockkrebserkrankung diagnostiziert werden. Für die negativ getesteten Personen stellt die Ganzgenomsequenzierung nun eine große Chance dar, die noch unentdeckten erblichen Faktoren zu identifizieren. Hierbei handelt es sich vermutlich um bislang nicht entdeckte Mutationen in den intronischen oder Promotor-Bereichen der bekannten Risikogene, neue Risikogene sowie die Interaktion von sogenannten Niedrigrisikovarianten. Die Erkenntnisse aus der Ganzgenomsequenzierung können weitreichende Bedeutung für die Betroffenen haben. Neu entdeckte Signalwege können zudem als Basis für die Entwicklung zielgerichteter Präventions- und Therapiekonzepte dienen. Des Weiteren können Niedrigrisikogenvarianten auch von Bedeutung für die Allgemeinbevölkerung sein und zukünftig zielgerichtete Präventionsangebote ermöglichen. Daher ist die Ganzgenomsequenzierung ein wichtiger Schritt in eine individualisierte und damit deutlich effektivere Krebsprävention der Zukunft.
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