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    Mein Leben mit einer seltenen Krebserkrankung.

    Fotos: Privat

    Etwa fünf bis sieben von 100.000 Menschen in Deutschland erkranken jedes Jahr an einem seltenen neuroendokrinen Tumor (NET). Mein Name ist Oliver Matthias Merx und im Jahr 2020 erhielt auch ich diese Diagnose.

    Zunächst ein Rückblick: Die ersten Anzeichen der NET-Erkrankung zeigten sich bei mir 2017 und 2018. Zu dieser Zeit führten wiederholte Gallenkoliken zu schweren Entzündungen der Bauchspeicheldrüse. Nach der Entfernung der Gallenblase schienen die Probleme zunächst gelöst. Doch im Frühjahr 2019 kam es zu erneuten Beschwerden. Nun kamen diffuse Bewusstseinsstörungen dazu. Obwohl sich der Pankreas-Tumor bereits auf MRTScans abzeichnete, wurde er trotz längerer Krankenhausaufenthalte nicht entdeckt. Stattdessen wurde mir attestiert, dass ich mir die Symptome nur einbilden würde – eine durchaus frustrierende Erfahrung, die ich insbesondere mit Menschen mit seltenen Krankheiten teile.

    Im Januar 2020 brachte ein weiterer MRT-Scan mehr Klarheit. Allerdings hieß es nun: „Herr Merx, Sie haben einen ziemlich großen Tumor an der Bauchspeicheldrüse!“ Diese Diagnose mit Familie und Freunden zu teilen, war durchaus eine Herausforderung. Doch stellte gerade die Familie in dieser Zeit einen wichtigen Rückhalt dar. Zudem konnte die Behandlung dank zweier Spezialisten für NET-Erkrankungen in meiner Region schnell beginnen. Nach einer erfolgreichen Resektion des Pankreasschwanzes galt ich als geheilt. Doch schon kurze Zeit später traten mehrere große postoperative Fisteln auf – sie bergen u.a. das Risiko einer Blutvergiftung. Gleichwohl ging es insgesamt kontinuierlich bergauf.

    Von 2020 bis Anfang 2023 erlebte ich eine Phase, die ich selbst als eine der schönsten meines Lebens beschreiben kann. Körperlich und mental fühlte ich mich nahezu gesund und konnte viele Dinge genießen, die zwischenzeitlich in den Hintergrund gerückt waren. Als Anfang 2023 bei einer Routineuntersuchung mehrere kleine Lebermetastasen entdeckt wurden, änderte dies die Situation kaum. Es war ein merkwürdiges Gefühl – ich wusste, dass sie da sind, aber sie beeinträchtigten mein Leben nicht spürbar. Eine systemische Therapie mit Somatostatinanaloga (SSA) konnte das Wachstum der vielen kleinen Metastasen einige Zeit aufhalten. Doch im Frühjahr 2024 zeigten sich Anzeichen dafür, dass eine Metastase deutlich aggressiver zu wachsen begann.

    Mein Ärzteteam und ich entschieden uns für eine Peptid-Rezeptor-Radionuklid-Therapie (PRRT). Dabei handelt es sich um eine innovative Methode, die gezielt an den Tumorzellen wirkt. Die PRRT war meine beste Option, aber sie brachte auch über mehrere Monate hinweg viele Unwägbarkeiten mit sich. Über vier Zyklen hinweg erlebte ich Höhen und Tiefen. Nebenwirkungen und Phasen der Unsicherheit waren die Folge der Behandlung, doch die Ergebnisse sprechen für sich: Das Wachstum der Metastasen wurde nicht nur gestoppt. Es kam vielmehr zu einer überdurchschnittlich hohen Regression – ein Erfolg, der zeigt, wie weit die Medizin bei der Behandlung seltener Tumorerkrankungen wie NET bereits ist.

    Die Erfahrungen mit der PRRT und der Umgang mit den damit verbundenen Herausforderungen veranlassten mich, im November 2024 gemeinsam mit der Selbsthilfegruppe Netzwerk NET einen Patientenratgeber zur PRRT zu erstellen. Ich wollte anderen Betroffenen nicht nur Einblicke in den Ablauf der Therapie geben, sondern auch Tipps, wie man sich mental und praktisch darauf vorbereiten kann. Obwohl die PRRT im Vergleich zu einer Chemotherapie als nebenwirkungsarm gilt: Man muss auch bei ihr mit Nebenwirkungen rechnen – Art und Ausprägung sind allerdings sehr individuell. Bei der PRRT greifen ebenso wie bei einem NET physische und psychische Faktoren über längere Zeiträume hinweg ineinander. Das macht es u.a. für Hausärzte schwierig, die oft diffusen Beschwerden zwischen den einzelnen PRRT-Zyklen einzuordnen. Der stets offene und konstruktive Austausch mit meiner Hausarztpraxis und Psychotherapeutin war ein wichtiger Teil des letztendlichen Erfolgs, denn es ist sehr wichtig, die eigenen Selbstheilungskräfte bestmöglich zu mobilisieren!

    Patientenratgeber

    Meinen Patientenratgeber zur PRRT finden Sie digital unter:
    www.prrt.info
    Er bietet praxisnahe Hinweise und Orientierung für Betroffene aber auch Einblicke für Ärzte.

    Eine gedruckte Version ist für Anfang 2025 in Planung. Mit dem Ratgeber möchte ich zeigen, dass es trotz aller Herausforderungen wichtig ist, die Chancen moderner Therapieformen wie der PRRT zu vertrauen und diese zu nutzen. Zugleich möchte ich empfehlen, bei seltenen Erkrankungen die Zusammenarbeit mit Patientenorganisationen wie dem Netzwerk NET zu suchen.

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