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    Das Potenzial der CAR-T-Zelltherapie

    Foto: shutterstock_2210307289

    Der Internist, Hämatologe und Onkologe Prof. Dr. med. Hermann Einsele war einer der ersten in Deutschland, die die sogenannte CAR-T-Zelltherapie gegen Blutkrebs klinisch testeten. Im Interview erklärt der Klinikdirektor Med II an der Uniklinik Würzburg, wie die Krebsimmuntherapie funktioniert und welches Potenzial sie birgt.

    Prof. Dr. med. Hermann Einsele

    Foto: Universität Würzburg

    Prof. Einsele, war Ihnen beim ersten Einsatz das Potenzial der CAR-T-Zelltherapie bewusst?

    In den USA erhielt im Jahr 2012 erstmals weltweit ein Kind eine CAR-T-Zelltherapie. Die damals sechsjährige Emily Whitehead litt an Blutkrebs (akute lymphatische Leukämie), hatte 23 Monate Chemotherapie hinter sich und galt als austherapiert. 22 Tage nach der Behandlung war Emily krebsfrei und ist es bis heute.1 Mit dieser Beispielpatientin vor Augen und einem Mitarbeiter an der Seite, der die CAR-T-Zelltherapie in den USA mitentwickelt hatte, waren wir äußerst optimistisch.

    Wie verbessern sich Lebenserwartung und Lebensqualität von Patienten mit Blutkrebs dank der CAR-T-Zelltherapie?

    Inzwischen sind deutschlandweit mehr als 1.000 Patienten damit behandelt worden. Die Fakten sprechen für sich:

    • Während sich normalerweise etwa 0,5 bis ein Prozent der Immunzellen mit der Abwehr von Tumorzellen beschäftigen, sind es nach der CAR-T-Zelltherapie bis zu 95 Prozent.
    • 25 bis 30 Prozent der von uns behandelten Patienten mit einem Lymphknotenkrebs in weit fortgeschrittenem Stadium, für die es keine Therapie mehr gab, sind nach der einmaligen Infusion im Rahmen der CAR-T-Zelltherapie langfristig krebsfrei.
    • Und austherapierte Myelom-Betroffene mit einer Aussicht auf nur noch vier bis fünf krankheitsfreie Monate sind nach einmaliger CAR-T-Zelltherapie zwei, drei Jahre und länger krankheitsfrei. Wobei „krankheitsfrei“ für ein Leben in „gesunder Lebensqualität“ steht.

    Was sind die Herausforderungen bei der CAR-T-Zelltherapie?

    Mit der CAR-T-Zelltherapie behandeln wir bislang erfolgreich Krebserkrankungen des blutbildenden Systems, zum Beispiel akute lymphatische Leukämien, Lymphknotenkrebs und multiple Myelome. Bei der Behandlung solider Tumore wie Brustkrebs, Nierenkrebs, Prostatakrebs und Lungenkrebs ist die große Herausforderung, die Krebszellen auf molekularer Ebene noch besser zu charakterisieren, so dass die spezifischen Oberflächenmarker von den CAR-T-Zellen noch zielsicherer erkannt und zerstört werden können. Zudem geht es hier darum, die CAR-T-Zellen in das Tumorgewebe einzuschleusen, wogegen sich diese wehren. An einer Lösung wird derzeit intensiv geforscht. Zudem sind wir damit beschäftigt, die bislang überwiegend individuelle CAR-T-Zelltherapie universal zu machen. Derzeit entnimmt man einer Patientin oder einem Patienten T-Zellen, verändert sie genetisch und setzt ihr oder ihm diese wieder ein. Das Verändern dauert zwischen drei bis acht Wochen – eine Zeit, in der der Tumor in Schach gehalten werden muss.

    Die Verwendung körpereigener T-Zellen mindert das Risiko, dass die CAR-T-Zellen später fälschlicherweise gesundes Gewebe angreifen oder vom Körper als feindlich angesehen und bekämpft werden (Autoimmunreaktion). Forschungsziel ist es, auch CAR-T-Zellen, die von anderen Spendern generiert werden (“fremd”), einzusetzen, die man vorrätig halten kann (sogenannte „Of-the-Shelf“-Lösung, auf Deutsch: „Aus-dem-Regal-Lösung“), um Zeit zu gewinnen: zum Behandeln und zum Leben.

    Ist der Einsatz der CAR-T-Zelltherapie auf Krebs beschränkt?

    Die Erfolge mit der CAR-T-Zelltherapie zeigen, dass Immuntherapien extrem wirken. Das rückte diese in den Fokus. Vielversprechend sind sie auch bei Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, Multiple Sklerose (MS) und andere Autoimmunerkrankungen, wo sie fehlgeleitete Immunzellen bekämpfen. Auch bei Infektionserkrankungen wie Covid-Infektionen und Pilzinfektionen kann die Immuntherapie zumindest im Modellsystem wirkungsvoll helfen. Spannend sind Forschungsansätze bei degenerativen Erkrankungen wie die Herzmuskelschwäche, bei der Muskelgewebe von Fasergewebe ersetzt wird. CAR-T-Zellen könnten künftig dazu gebracht werden, Fasergewebe aus dem Herz zu entfernen, so dass sich der Herzmuskel wieder erholt.

    Eine Krebsgeschwulst (Tumor) entwickelt sich aus einer gesunden Körperzelle, deren Erbinformation beschädigt oder bei der Zellteilung fehlerhaft ausgelesen wird. Solche Erbgutfehler entstehen oft zufällig (Mutation). Sie verändern die Zellbiologie, so dass die Zelle unkontrolliert zu einem Tumor heranwächst. Tückisch ist: Krebszellen können sich für die körpereigene Abwehr (Immunsystem) unsichtbar machen. Bei der CAR-T-Zelltherapie werden körpereigene Abwehrzellen (T-Zellen) genetisch so verändert, dass sie Tumorzellen erkennen und ausschalten – und das über viele Jahre hinweg.

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