Osteoporose ist die häufigste Erkrankung des Skeletts.
Prof. Dr. Peyman Hadji
Leiter des Schwerpunktes für Gynäkologische Endokrinologie und Onkologie an der Philipps-Universität Marburg
Dr. med. Ortrun Stenglein-Gröschel
Niedergelassene Orthopädin und Leiterin eines ambulanten osteologischen Schwerpunktzentrums (DVO) in Coburg
Obwohl Männer keineswegs verschont bleiben, ist Osteoporose vor allem ein Leiden der Frauen. Sie sind mehr als doppelt so oft betroffen.
Im Interview sprechen Dr. med. Ortrun Stenglein-Gröschel (SG), Leiterin eines ambulanten osteologischen Schwerpunktzentrums, und Prof. Dr. med. Peyman Hadji (PH), Leiter des Schwerpunktes für Gynäkologische Endokrinologie an der Philipps-Universität Marburg, über die Krankheit und Behandlungsmöglichkeiten.
Viele Betroffene wissen gar nicht, dass sie eine Osteoporose haben – warum?
SG: Ein wesentlicher Grund dafür liegt sicherlich darin, dass die Erkrankung schleichend beginnt und nicht wehtut, sodass sie häufig nicht oder zu spät erkannt wird. Dabei stehen uns heute zur Behandlung des Knochenschwunds hervorragend wirkende Medikamente zur Verfügung.
Wie lange dauert es bis ein gesunder Knochen so porös ist, dass er bricht?
SG: In der Regel sind die ersten zehn Jahre nach den Wechseljahren diejenigen, in der die Knochendichte am schnellsten sinkt.
Wie schätzen Sie die aktuelle Behandlungssituation ein? Häufig ist von Unterversorgung die Rede.
PH: Bundesweit gesehen muss man leider tatsächlich von einer deutlichen Unterversorgung sprechen. Nach wie vor besteht die Therapie in über 80 Prozent der Fälle lediglich aus Schmerzmitteln. Die Krankheitsursachen werden dabei häufig unbeachtet gelassen. Zudem werden die verschriebenen Osteoporosemedikamente nicht – wie unbedingt notwendig – längerfristig zuverlässig eingenommen.
Bisphosphonate gelten bis heute als Medikamente der Wahl. Dennoch ist die Therapiesituation unzureichend. Woran liegt das?
PH: In der Vergangenheit waren die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten bei der Osteoporose nicht so umfangreich, sodass sich die Bisphosphonate in relativ kurzer Zeit zum Therapiestandard entwickeln konnten. Bisphosphonate sind bei zuverlässiger Einnahme in der Lage, den Knochen zu stabilisieren und Osteoporose entgegenzuwirken, indem sie die Aktivität der Osteoklasten hemmen.
Aufgrund der Einnahmemodalitäten und auch wegen möglichen Verträglichkeitsproblemen nehmen viele Patientinnen ihr verordnetes Bisphosphonat aber nicht zuverlässig über einen ausreichend langen Zeitraum ein. Als Alternative stehen auch Bisphosphonate zur Verfügung, die alle drei Monate oder auch nur einmal jährlich als Infusion gegeben werden.
Gibt es alternative Therapiemöglichkeiten?
PH: Zu den Bisphosphonaten gab es bei einer bestehenden Osteoporose nach der Menopause lange Zeit kaum Behandlungsalternativen. Neben den Östrogenen, die aufgrund unerwünschter Effekte nur nach einer individuellen Nutzen-Risiko-Bewertung zum Einsatz kommen sollten, stehen mit den SERMs, also gewebsspezifischen östrogenagonistischen beziehungsweise östrogenantagonistischen Arzneimitteln, weitere wirksame Therapien zur Verfügung. Sie hemmen den Knochenabbau, indem sie die Östrogenwirkung am Knochen nachahmen.
Die oralen Medikamente sind zur täglichen, wöchentlichen oder monatlichen Einnahme verfügbar. Zusätzlich gibt es Strontiumranelat, das den Knochenabbau hemmen und den Knochenaufbau steigern kann. Eine weitere Therapieoption ist ein RANK-Ligand-Inhibitor, der einen vollständig anderen Wirkmechanismus aufweist, da er ein biologisches Wirkprinzip nachahmt. Das Medikament wird als Halbjahresspritze verabreicht und kann somit die Therapietreue verbessern.
Wie können Patienten, die vermeintlich beschwerdefrei sind, dazu motiviert werden, eine Therapie konsequent weiterzuführen?
PH: Patienten mit Osteoporose sollten mindestens zweimal im Jahr ihren Arzt aufsuchen. Wichtig ist natürlich immer die Aufklärung der Patienten über die Osteoporose als „schwelende Gefahr“, die auch bei Beschwerdefreiheit niemals unterschätzt werden darf. Wird die Behandlung abgesetzt, wirkt sie nur noch begrenzte Zeit nach. Das Risiko für weitere Knochenbrüche steigt damit erneut an.