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    Was Labortests im Kampf gegen Krebs leisten

    Foto: vfa

    Interview mit Dr. Martin Walger, Geschäftsführer des Verbandes der Diagnostica-Industrie (VDGH).


    Dr. Martin Walger

    Geschäftsführer des Verbandes der Diagnostica-Industrie (VDGH)

    Welche Rolle spielen Labortests bei Krebs?

    Labordiagnostik nimmt in der Onkologie eine zentrale Rolle ein, in dreierlei Hinsicht. Krebs ist nicht gleich Krebs – dieses Wissen verdanken wir seit geraumer Zeit modernen molekulardiagnostischen und genetischen Analyseverfahren. Sie ermöglichen, von jedem Tumor ein individuelles Profil zu erstellen. Dies ist der Schlüssel für eine personalisierte Medizin, die ebendiese Erkenntnisse bei der Behandlung patientenbezogen berücksichtigt. Für die Arzneimitteltherapie heißt das, Medikamente können in noch höherem Maße zielgerichtet und passgenau eingesetzt werden und den Behandlungserfolg wahrscheinlicher machen. Neben verbesserten Therapieoptionen, die auch die Entwicklung neuer Medikamente einschließen, haben Labortests für die Früherkennung von Krebserkrankungen eine wichtige Funktion. Viele onkologische Erkrankungen haben im Anfangsstadium gute Heilungschancen, allen voran Darmkrebs und Gebärmutterhalskrebs, die zu den häufigen Krebserkrankungen zählen. Und schließlich können mithilfe von Gentests auch Risiken für die Entstehung bestimmter Krankheiten eingeschätzt werden. So sind mutierte Formen des BRCA1-Gens beziehungsweise des BRCA2-Gens für die meisten Fälle familiär gehäuft auftretenden Brust- beziehungsweise Eierstockkrebses verantwortlich. Bei ent- sprechender familiärer Vorbelastung wird eine Testung empfohlen, um gegebenenfalls präventive Maßnahmen vorzunehmen.

    Welche Fortschritte gibt es?

    Kaum ein Bereich der Medizin entwickelt sich so rasant wie die Onkologie. Immer schnellere, umfassende- re und gleichzeitig genauere Verfahren der molekularen Diagnostik sind Treiber dieser Entwicklung. Bei der Behandlung von Krebspatienten ist der Ansatz „One size fits all“ Vergangenheit – zugunsten einer personalisierten Medizin, bei der die Labordiagnostik Wegweiser und Begleiter der Therapie ist. Für die Erforschung neuer Arzneimittel werden künftig therapeutische Zielstrukturen im Erbmaterial der Krebszellen aus- schlaggebend sein und weniger die klassische organbezogene Einteilung von Krebserkrankungen.

    Eine recht junge Errungenschaft ist die Liquid Biopsy („Flüssigbiop- sie“). Sie ermöglicht den Nachweis zirkulierender Tumorzellen beziehungsweise Tumor-DNA im Blut. Diese kommen im Blut allerdings nur in kleinsten Mengen vor. Durch die Entwicklung neuer Verfahren zum hoch- sensitiven molekularen Nachweis von Nukleinsäuren lassen sie sich detektieren. Gegenüber einer Gewebeentnahme ist die Liquid Biopsy für den Patienten weniger invasiv, da nur eine einfache Blutentnahme aus der Armvene erfolgt.

    Bei der Früherkennung von Darmkrebs werden inzwischen immunologische Stuhltests eingesetzt und von der Krankenkasse bezahlt. Beim Gebärmutterhalskrebs erfolgt sukzessive der Umstieg auf molekulares Testen auf die potentiell krebsauslösenden Humanen Papillomaviren

    (HPV). Zu beiden Früherkennungsprogrammen laden die gesetzlichen Krankenkassen ihre anspruchsberechtigten Versicherten künftig gezielt ein, so wie es von der Brustkrebsfrüherkennung bereits bekannt ist.

    Welche Perspektive gibt es für Patienten?

    Entscheidend ist aus Sicht der Patienten, dass der medizinische Fortschritt in der Versorgung ankommt. Zusammenschlüsse, wie zum Beispiel das Netzwerk Genomische Medizin Lungenkrebs in Köln, leisten hier Hervor- ragendes. Ziel ist es, eine umfassende und qualitativ hochwertige molekulare Diagnostik bundesweit für alle Patienten mit Lungenkrebs anzubieten und die Implementierung einer personalisierten Therapie als klinische Routineversorgung zu fördern. Bei der Erstattung der molekularen Begleitdiagnostik durch die gesetzlichen Krankenkassen wurden in den letzten Jahren Verbesserungen erzielt, sodass der vorgeschaltete Test zur Entscheidung über die passende Arzneimitteltherapie mittlerweile auch vom niedergelassenen Arzt veranlasst und abgerechnet werden kann.

    Forschung in der Klinik und in der Industrie ist auf Daten angewiesen. Mit jedem Datensatz wächst das Verständnis von Erkrankungen, können Muster erkannt werden und Hinweise für neue Behandlungsstrategien abgeleitet werden. Ein intelligentes Informations- und Datenmanagement – und hierzu gehört auch die Nutzungsmöglichkeit von Daten aus der Versorgungsrealität – wird die Forschung beflügeln und den Zugang zu innovativen Krebstherapien für den Patienten beschleunigen. Das in diesen Wochen vom Deutschen Bundestag beschlossene Digitale-Versorgung-Gesetz ist ein erster und wichtiger Schritt auf diesem Weg.

    Information

    Der VDGH vertritt als Wirtschaftsverband die Interessen von 100 Unternehmen der Diagnostika- und der Life-Science-Research- Industrie. Sie stellen Untersuchungssysteme und Reagenzien zur Diagnose menschlicher Krankheiten her beziehungsweise Instrumente, Reagenzien, Testsysteme und Verbrauchsmaterialien für die Forschung in den Lebenswissenschaften. Beide Branchen zusammen erwirtschaften einen Umsatz von 4,4 Milliarden Euro in Deutschland.

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