Schätzungen zufolge haben etwa ein bis drei Prozent aller Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) als Krankheitsursache einen angeborenen Alpha-1-Antitrypsin-Mangel. Im Verhältnis zur ‚Massenkrankheit‘ COPD ist das selten. Was die Frage aufkommen lässt, ob dieser Mangel wirklich so selten ist oder ob für die Erkrankung Alpha-1 überhaupt ein entsprechendes Bewusstsein geschaffen wurde und dies nicht nur bei den Patienten, sondern vor allem auch bei Experten, bei denen das Wissen für eine mögliche Testung fest verankert sein sollte.
Das Alpha-1-Anti-trypsin ist eine Art Schutzeiweiß und ein wichtiger Gegenspieler von körpereigenen Stoffen, die zum Beispiel das Lungengewebe abbauen und im späteren Verlauf zu einer irreversiblen Erweiterung der Bronchiolen führen. Alpha-1-Patienten mangelt es aufgrund einer Genmutation jedoch an diesem wichtigen Eiweiß, sodass die Lunge mit der Zeit immer stärker beschädigt wird. Eine Symptomatik, die sehr leicht mit COPD, der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung, verwechselt wird.
Der wichtigste Punkt zur Unterscheidung beider Erkrankungen ist, dass Alpha-1-Patienten häufig wesentlich jünger, im Schnitt zwischen 30 und 40, sind und die Erkrankung schneller und schwerer verläuft. Als Faustregel gilt: Wenn ein Patient unter 50 Jahren Symptome einer COPD hat, sollte man als Arzt misstrauisch werden.
Derzeit sind in Deutschland 2.000 bis 3.000 Fälle von betroffenen Patienten bekannt, seltene Fälle, die auch in den Köpfen der Ärzte häufig nicht präsent sind. Ein ausschlaggebender Grund, weshalb es im Schnitt sechs Jahre braucht, bis Patienten die korrekte Diagnose erhalten. Wichtige Zeit, die für die passende Therapie dann fehlt, da die zuvor häufig verordneten COPD-Medikamente der genetischen Ursache nichts entgegenzusetzen haben.
Es ist deshalb ratsam, bei Patienten mit verengten Bronchien einmal im Leben die Konzentration von Alpha-1-Antitrypsin im Blutserum zu bestimmen, wie es eine Reihe von Fachgesellschaften bereits in ihren Richtlinien formuliert haben. Auch Patienten mit einem vermeintlichen Asthma, bei denen die verengten Atemwege nicht in üblicher Weise auf entsprechende Medikamente reagieren, sollten getestet werden. Bei einer positiven Befundung sollten sich dann, auf Grund der zugrunde liegenden genetischen Ursache, auch Angehörige testen lassen.
Es wird vermutet, dass es allein in Deutschland bis zu 20.000 von Alpha-1-Antitrypsinmangel Betroffene gibt- tausende Menschen, die eine Atemwegs- und Lungenerkrankung haben und nicht wissen, dass das eigentliche Problem ein Alpha-1-Antitrypsin-Mangel ist.
Die Therapieoptionen bei Alpha-1 entsprechen in den Grundzügen denen, die bei einer COPD empfohlen werden. Durch Verzicht auf das Rauchen und eine medikamentöse COPD-Behandlung kann die Lungenfunktion stabilisiert werden. Parallel wird körperliches Training und eine Atemtherapie als unterstützend empfunden.
Wichtig bleibt daher immer, die Ursachen der Atembeschwerden schnell zu definieren, um einer Verschlechterung des Lungengewebes frühestmöglich entgegen zu wirken.