Skip to main content
Home » Arzt und Patient » Vom Gedanken, das Patientenerleben zu verbessern
  • Arzt und Patient

    Vom Gedanken, das Patientenerleben zu verbessern

    Foto: everything possible via Shutterstock

    Prof. Dr. Jochen Werner ist Ärztlicher Direktor und CEO der Universitätsmedizin Essen und hat hier das deutschlandweit erste Smart Hospital ins Leben gerufen. Als parallel arbeitender engagierter YouTuber und Medical Influencer nutzt er seine Reichweite, rund um die Themen Digitalisierung im klinischen Alltag voranzutreiben, über die er im Interview mit uns sprach.

    Prof. Dr. Jochen A. Werner

    Instituts-Geschäftsführer, Ärztlicher Direktor – Vorstand Universitätsmedizin Essen (AöR)

    Essen ist beim Thema Smart Hospital ein Paradebeispiel: Welche Themen sind Sie hier bereits angegangen? In welcher Welt bewegt sich ein Patient bei Ihnen, was ist anders als andernorts?

    In der Universitätsmedizin Essen stellen wir im Rahmen unserer Smart-Hospital-Konzeption den Menschen und sein Wohlbefinden in den Mittelpunkt unserer Anstrengungen- sei es als Patientin oder Patient, als Angehöriger, aber explizit auch als Mitarbeiterin oder Mitarbeiter. Wir versuchen, alle Prozesse aus Sicht der Menschen und weniger aus der „Maschinerie“ eines Krankenhausbetriebes zu sehen und dann zu optimieren. Die konkrete Umsetzung des Smart Hospitals ist ein langfristiger Transformationsprozess. Dennoch profitieren unsere Patienten schon heute etwa durch unser digitales Service- und Informationscenter oder auch unsere hochmoderne, digitale zentrale Notaufnahme. Die konzernweit erfolgte Einführung unserer elektronischen Patientenakte entlastet insbesondere unsere Beschäftigten in der Pflege signifikant bei der Dokumentation und schafft mehr Zeit für die Kommunikation mit den Patienten. Schon seit Langem etabliert ist etwa der Einsatz künstlicher Intelligenz in der Diagnostik, seit kurzem auch in der Chirurgie sowie ein digital gestütztes Management von Betten und medizinischen Geräten, um einige Beispiele hervorzuheben.

    Worin sehen Sie die größten Vorteile in der Digitalisierung der Krankenhäuser, wo den größten Nutzen für den Patienten?

    Die Digitalisierung – und auch der Einsatz künstlicher Intelligenz – bedeutet für den Patienten und viele Krankheitsbilder selbstverständlich neue Perspektiven bei Diagnose und Therapie, denken Sie beispielsweise an die zunehmend personalisierte Medizin in der Onkologie. Vor allem aber bedeutet Digitalisierung die Humanisierung der Medizin. Diese nur auf den ersten Blick widersprüchliche Aussage löst sich auf, wenn man bedenkt, dass die Digitalisierung unverzichtbar ist, um Prozesse und Strukturen effizienter zu machen und letztlich den Aufwand für alle patientenfernen Tätigkeiten zu minimieren. Als Ergebnis bleibt mehr Zeit für das Gespräch, für persönliche Fürsorge und Empathie. Auf Ebene der Krankenhäuser, dies gilt aber grundsätzlich für alle Akteure im Gesundheitswesen, ist die Digitalisierung unverzichtbar, um sowohl die internen Prozesse zu optimieren als auch den Austausch von Daten untereinander effizient und ohne Reibungsverluste zu gestalten – auch davon profitieren wiederum die Patienten in Form von erhöhter Patientensicherheit, weniger Wartezeiten und einer insgesamt verbesserten medizinischen Versorgung.

    Glauben Sie, dass intelligente Krankenhäuser am Ende auch das Arzt-Patienten-Verhältnis in Bezug auf Adhärenz nach dem Verlassen der Klinik stärken, oder klingt der Effekt zu Hause genauso schnell wieder ab, obwohl Apps oder telemedizinische Programme als verlängerter Arm zum Arzt bei der Therapietreue unterstützen sollten?

    Ich bin fest davon überzeugt, dass digitalisierte Krankenhäuser die Arzt-Patienten-Beziehung nachhaltig verbessern, auch und gerade in Bezug auf Adhärenz, die ja viel mit Kontinuität und Vertrauen zu tun hat. Ein wesentlicher Kerngedanke des Smart Hospitals ist es, den Patienten lebenslang – pränatal bis zum Tod – zu begleiten und zu betreuen. Die klassische Ausgabe des Krankenhauses als temporärer, von Mauern umschlossener „Reparaturbetrieb“ rückt dabei zugunsten einer kontinuierlichen Vorsorge und Begleitung immer weiter in den Hintergrund. Das bedeutet eine neue Dimension der medizinischen Versorgung, aber eben auch eine neue Dimension der Arzt-Patienten-Beziehung, von der alle Seiten profitieren. Digitalisierte Angebote wie entsprechende Apps oder die Telemedizin werden dafür sorgen, dass diese Betreuung kontinuierlich, niedrigschwellig und ohne großen Aufwand stattfinden kann, unabhängig von den räumlichen Strukturen. Eine deutlich optimiertere digitalbasierte Kooperation und gelebte Interaktion aller Stakeholder des Gesundheitswesens ist DIE conditio sine qua non dafür, dass es den Menschen gesundheitlich besser gehen wird als heute. Und dies schließt Sorgen und Psyche mit ein.

    Wo sehen Sie in den kommenden Jahren die weiteren größten Schritte und Veränderungen im Bereich der Digitalisierung der Krankenhäuser und Versorgungseinrichtungen?

    Wir brauchen in Deutschland eine Digitalisierungs- und Innovationsoffensive, um unser weitgehend analoges, teilweise schon anachronistisches Gesundheitssystem in moderne Strukturen zu überführen. Alle Akteure müssen künftig viel stärker als bisher über leistungsfähige digitale Schnittstellen miteinander kooperieren und kommunizieren, das Fax gehört wie in der restlichen Wirtschaft ins Museum. Dieser Entwicklungsschritt ist unabdingbar, um unser Gesundheitssystem auch für kommende Generationen zukunftsfest zu machen. Dazu gehört auch eine mutige Neustrukturierung der deutschen Kliniklandschaft mit ihren zu vielen Häusern, ebenso die Stärkung von universitärer Spitzenmedizin als Impulsgeber auch für die digitale Transformation. Es besteht erheblicher Handlungsdruck – aber auch die Chance, mit den richtigen strategischen Entscheidungen die Bekämpfung der SARS-CoV-2-Pandemie zur stärksten Triebfeder zur Modernisierung und Humanisierung der Medizin zu machen, die wir bislang erlebt haben.

    Next article