Was ist Schönheit? Das Gegenteil von Hässlichkeit, könnte man sagen. Was ist nun aber hässlich? Das Gegenteil von … Sie sehen, worauf es hinausläuft. Ganz so einfach ist die Antwort also nicht. Schönheit ist abstrakt, schwer fassbar. Versuchen wir es weiter. „Schönheit liegt im Auge des Betrachters“ und „Über Geschmack lässt sich streiten“ – geflügelte Sätze, die bestimmt jeder von uns so oder so ähnlich schon einmal gesagt oder gehört hat. Sie besagen letztlich, dass jeder Mensch eine eigene Vorstellung von Schönheit hat. Damit kommen wir der Antwort schon etwas näher.
Prof. Dr. med. Dennis von Heimburg
Facharzt für Plastische und Ästhetische Chirurgie mit der Zusatzbezeichnung Handchirurgie, mit eigener Praxis in Frankfurt; Präsident der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC)
Die eine Schönheit gibt es nicht. So weit, so gut. Das wirft jedoch weitere Fragen auf: Warum existieren dann gängige Schönheitsideale, nach denen wir streben? Warum gelten bestimmte Menschen trotz sich wandelnder Schönheitsideale über Jahre, Jahrhunderte oder gar Jahrtausende hinweg als schön? Marilyn Monroe gilt als zeitlose Schönheit, die einen Frauentyp geprägt hat, der tausendfach kopiert wird. Helena wurde in der Antike als die schönste Frau ihrer Zeit beschrieben und wird noch heute als Symbol für Schönheit herangezogen. Überhaupt ist die Frage danach, was Schönheit ausmacht, seit der Antike eine der beiden großen Themen der philosophischen Ästhetik.
Schönheit im Wandel der Zeit
Sicher ist: Die Vorstellung davon, was ästhetisch und attraktiv ist, unterliegt seit Jahrtausenden einem ständigen Wandel. In der Antike galten schlanke Frauen mit kleinen, festen Brüsten und einer runden Hüfte als schön. Männliche Schönheit war nicht weniger bedeutsam als weibliche. Auch für die Herren der Schöpfung gab es genaue Vorstellungen. Der männliche Körper sollte muskulös sein und signalisieren, dass er im Kampf und auf der Jagd geformt wurde. Im frühen Mittelalter unterschieden sich die Ideale bei den Frauen nicht sonderlich von denen der Antike: eine insgesamt schlanke Figur – kleine Bäuche waren erlaubt, große Brüste jedoch verpönt. Im späteren Mittelalter der Renaissance und im Barock waren dann große Brüste erlaubt, ja sogar erwünscht. Generell standen bei beiden Geschlechtern üppige Körper als Zeichen von Wohlstand hoch im Kurs. Die Haut sollte blass sein. Besonders seit dem 20. Jahrhundert wechseln sich die Schönheitsideale des weiblichen Geschlechts zwischen schlank und weiblich gerundet in dichter Folge ab. In den goldenen Zwanzigern wollten viele Frauen jungenhaft, mit gerader Körperform ohne große Rundungen, aussehen. In den Fünfzigern war ein sanduhrenförmiger Körper ideal. Das Motto der Neunziger und frühen 2000er war dann wiederum dünn und dünner, dazu groß mit langen Beinen und flachem Bauch. Das Gesicht mit möglichst starken, hohen Wangenknochen. Heutzutage geht der Trend wieder zu mehr weiblichen Rundungen, speziell zu einem wohlgeformten Po und breiten Hüften. Im Gesicht stehen volle Lippen hoch im Kurs.
Digitale Vorbilder
Die Vorbilder, deren „perfektes“ Aussehen heute angestrebt wird, kommen aus dem Internet – genauer gesagt aus sozialen Medien. Bekannte „Influencer“ präsentieren wohlgeformte Körperteile sowie perfekte symmetrische Gesichtszüge ohne Falten. Neben den vollen Lippen erfreuen sich insbesondere hoch stehende Augenbrauen großer Beliebtheit. Vor allem junge Patienten streben diese Ideale an. Immer häufiger erscheinen junge Menschen mit dreifach gefilterten Instagram-Bildern ihrer Stars in unseren Praxen.
Gemeinsame Nenner
Nun war Marilyn Monroe eine Frau mit weiblichen Rundungen und die alten Griechen zu Helenas Zeiten bevorzugten dagegen schlanke Frauen mit kleinen, festen Brüsten. Beide Frauen gelten jedoch nicht nur für ihre jeweilige Zeit als schön. Es muss also Faktoren geben, die über die Zeit stabil bestimmen, was Schönheit ausmacht. Ein entscheidender Faktor ist Symmetrie. Zwei sich spiegelbildlich gleichende Körperhälften und bestimmte Proportionen erzeugen im Auge der Betrachter Harmonie. Sie ist der Grund für „ewige Schönheit“ von Frauen wie Helena und Marilyn. Unabhängig von der generellen Körperform und der Hautfarbe scheinen sie ein Maß an Symmetrie aufzuweisen, welches sie zeitlos schön macht. Eine verlässliche Antwort auf die Frage „Was ist Schönheit?“ ist also in jedem Fall: Ebenmaß. ′