Ob Gesundheits-Apps, Videosprechstunde oder E-Rezept: Digitale Lösungen im Gesundheitswesen erhalten zunehmend Zuspruch in der Bevölkerung. Das zeigen zahlreiche Umfragen – besonders während der Corona-Krise. So können sich laut Studien rund 90 Prozent aller Bundesbürger vorstellen, aktiv Gesundheits-Apps zu nutzen.
Natalie Gladkov
Referentin Digitale Medizinprodukte beim Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) in Berlin
Mit geschätzt über 150.000 Gesundheits-Apps weltweit könnten sich Versicherte theoretisch genau die für sie passende Lösung aussuchen. Doch wer garantiert sowohl den Patienten als auch den behandelnden Ärzten, dass eine App wirklich im Sinne des Patienten agiert? Bislang war die Norm eher so, dass nur in den seltensten Fällen medizinische Wirksamkeit und Qualität einer App deutlich erkennbar waren bzw. von den Herstellern explizit nachgewiesen wurden. Patien-ten- und Behandlungssicherheit konnten demnach nicht im vollen Umfang gewährleistet werden.
Mit dem Ende 2019 verabschiedeten Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) soll sich dies nun ändern. Das DVG zielt darauf ab, dass digitale Lösungen einen schnelleren und niedrigschwelligen Weg in die Regelversorgung finden, um eine qualitativ hochwertige und zugleich wirtschaftliche Gesundheitsversorgung zu gewährleisten. Mit den dazugehörigen Regelungen soll ein „Fast-Track-Verfahren“ im Zuge von digitalen Gesundheitsanwendungen in die Regelversorgung etabliert werden.
Bei einer digitalen Gesundheitsanwendung, die nach Prüfung und Bestätigung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
(BfArM) in ein gesetzlich festgelegtes und öffentlich einsehbares Verzeichnis aufgenommen wird, handelt es sich um ein Medizinprodukt, das nach dem Medizinprodukterecht der Klasse I oder IIa zuzuordnen ist. Die Vorgaben verlangen dabei ein hohes Niveau für Sicherheit und Leistungsfähigkeit der in Verkehr gebrachten Medizinprodukte. Vergleichbar mit einer Arzneimittelzulassung ist damit von der Unbedenklichkeit, Funktionstauglichkeit und Qualität der entsprechenden Medizinprodukte rechtlich auszugehen. Eine digitale Gesundheitsanwendung kann, muss aber nicht ausschließlich eine Gesundheits-App sein. Telemedizinische Lösungen, wie z.B. Online-Videosprechstunden, gehören nicht dazu.
Neben einer CE-Zertifizierung prüft das BfArM digitale Gesundheitsanwendungen auf entsprechende Datensicherheit, Datenschutz und Barrierefreiheit. Zusätzlich hat der Gesetzgeber im § 139e SGB V den neuen Begriff „Positive Versorgungseffekte“ etabliert. Positive Versorgungseffekte können sich entweder aus einem medizinischen Nutzen oder aus patientenrelevanten Verfahrens- und Strukturverbesserungen in der Versorgung ergeben.
Nur wenn ein Hersteller den Nutzennachweis seiner Lösung erbringen kann, wird diese fest in das BfArM-Verzeichnis aufgenommen und regulär von den gesetzlichen Krankenkassen erstattet. Im ersten Jahr wird dabei der Anbieter der digitalen Gesundheitsanwendungen nach dem Herstellerpreis vergütet. Ab dem 13. Monat gilt dann ein neuer Preis, den der Hersteller mit dem GKV-Spitzenverband verhandelt. Etwaige Verhandlungsmodalitäten legen aktuell die maßgeblichen Spitzenorganisationen der Hersteller, wozu auch der BVMed zählt, mit dem GKV-Spitzenverband in einer Rahmenvereinbarung fest. Sofern Ärzte mit in die Nutzung der digitalen Gesundheitsanwendungen eingebunden sind, werden auch sie entsprechend vergütet. Hierzu wird dann eine neue EBM-Ziffer festgelegt. Für die reine Verordnung einer digitalen Gesundheitsanwendung gibt es für die Leistungserbringer jedoch keine extrabudgetäre Vergütung.
Im Vergleich zu anderen Marktzugangsprozessen von Innovationen im deut-schen Gesundheitswesen hat der Gesetzgeber damit ein transparentes und deutlich beschleunigtes Verfahren entwickelt, wodurch qualitativ hochwertige digitale Lösungen ihren Weg in die Regelversorgung finden. Man darf deshalb gespannt sein, wie viele Lösungen sich Ende des Jahres im BfArM-Verzeichnis wiederfinden werden.