Die Augen sind an der Wahrnehmung unserer Umwelt zu 80 Prozent beteiligt, gutes Sehen ist daher für die gesamte Entwicklung des Kindes wichtig. Die Sehfunktionen entwickeln sich ab dem Säuglingsalter. Sie sind in dieser sensitiven Phase, der Zeit der schnellen visuellen Reifung, extrem störanfällig. Diese hat ihr Maximum in den ersten Lebensmonaten und nimmt langsam bis zum 6. Lebensjahr ab. Eine Restsensibilität ist noch bis etwa zum 14. Lebensjahr vorhanden.
Melanie van Waveren
Geschäftsführende Vorsitzende Berufsverband Orthoptik Deutschland e. V. (BOD)
Schielen (Strabismus) ist eine der Störungen, die die Sehentwicklung beeinträchtigen können. Unter Schielen versteht man eine ständige oder immer wieder auftretende Fehlstellung der Augen. Rund vier Millionen Menschen in Deutschland haben eine Schielerkrankung. Durch das Schielen kommt es neben dem Verlust des räumlichen Sehens (3D-Sehen) in vielen Fällen auch zu einer Sehschwäche (Amblyopie). Um Doppelbilder zu vermeiden, wird der Seheindruck am schielenden Auge unterdrückt. Dies führt dazu, dass sich das Sehen auf dem betroffenen Auge nicht weiterentwickelt. Wird eine Amblyopie nicht rechtzeitig erkannt und behandelt, bleibt sie lebenslang bestehen. Es gibt verschiedene Therapieformen bei Amblyopie, angefangen bei einer Brille bis zu Augenpflastern sowie in den letzten Jahren auch digitalen Trainingsmethoden. Dabei ist die Therapieform von der Art der Amblyopie und auch von ihrer Stärke abhängig. Für alle Amblyopietherapien gilt, dass durch eine vorübergehende Schwächung des Seheindrucks des besser sehenden Auges eine verstärkte Nutzung des amblyopen Auges entsteht und dadurch die Sehentwicklung wieder aktiviert wird.
Die sogenannte faziale Okklusionstherapie (Pflasterbehandlung) ist trotz neuer digitaler Therapieformen die effektivste. Dabei wird je nach Alter des Kindes das gute Auge stundenweise abgedeckt. Der Vorteil der Therapiemethode liegt neben der einfachen Handhabung auch in den guten Ergebnissen bei konsequenter Durchführung.
Das schwache Auge wird durch die Okklusion (Abdeckung) trainiert.
Die Therapiedauer hängt von vielen Faktoren ab, vor allem davon, wie ausgeprägt die Amblyopie ist. Ein weiterer wichtiger Faktor ist – wie bei allen Therapien – die Akzeptanz der Therapie. Je sorgfältiger die Therapie durchgeführt wird, desto schneller stellt sich ein Erfolg ein. Gerade bei der Amblyopietherapie ist es wichtig, sie möglichst früh konsequent durch- zuführen, denn je weiter die sensitive Phase vorangeschritten ist, desto länger dauert es, bis sich ein Erfolg zeigt. Daher gilt: Je früher Schielen und Sehschwäche entdeckt und behandelt werden, umso erfolgreicher kann die Amblyopie behandelt werden!
Unser Video „Mia und die Augenpflaster“ zeigt Ihnen und Ihrem Kind, wie der Ablauf der Untersuchung und Therapie erfolgt.