Wenn Kinder erkranken, ist das immer ein Schicksalsschlag für die ganze Familie. So war es auch bei Familie Hartleib, als zwei ihrer drei Töchter die Diagnose Glaukom bekamen. Wie sie durch mütterliche Hartnäckigkeit überhaupt erst zur Diagnose kamen und wie sie als Familie mit dieser Belastung umgegangen sind, erzählte uns Lisa Hartleib im Interview.
Das Augendruck-Messgerät für Zuhause war ein absoluter Game Changer.
Lisa, du bist dreifache Mutter, zwei deiner Kinder haben ein Glaukom. Wie kam man der Erkrankung deiner Kinder auf die Spur?
Das stimmt, unsere dritte Tochter hat aber auch schon einen schwankenden Augendruck, der beobachtet wird. Es handelt sich um ein erblich bedingtes Glaukom: Mein Mann und sein Vater sind ebenfalls betroffen, auch die Großmutter meines Mannes war daran erkrankt. Daher wussten wir, dass bei unseren Kindern entsprechende Vorsorgeuntersuchungen wichtig sind. Wir sind also schon sehr früh zweimal jährlich zur Kontrolle zum Augenarzt gegangen, und bis zum letzten Jahr war alles unauffällig. Bis 2023 wurde aber nie der Augendruck gemessen. Letztes Jahr habe ich auf die AugendruckMessung bestanden, meine Zwillinge waren da 10 Jahre alt. Helene, damals fünf, meinte: „Ich will, dass bei mir auch gemessen wird!“ Das erschreckende Ergebnis: Unsere kleine Tochter hatte bereits einen stark erhöhten Augendruck von 43 mmHg. Normal sind Werte von bis zu 20 mmHg. Bei Pauline, einem unserer Zwillingsmädchen, war der Druck ebenfalls stark erhöht. Das Tückische ist, dass das Glaukom bei unseren Kindern keinerlei spürbare Beschwerden verursacht hat. Wir wurden sofort in die Augenklinik Dortmund überwiesen, wo die Diagnose Glaukom bei beiden Kindern bestätigt wurde.
Gerade beim erblich bedingten Glaukom ist schnelles Handeln wichtig. Wie werden deine Kinder behandelt?
Zunächst wurden die Kinder in der Augenklinik Dortmund behandelt, wo wir in den darauffolgenden zwei Monaten viele Tage und Stunden verbrachten. Die nächste Station war die Uniklinik Magdeburg, wo die beiden engmaschig kontrolliert und weiterbehandelt wurden. Mit Augentropfen konnte der Augendruck bei beiden auf einen normalen Wert gesenkt werden. Helene wurde dann sehr zügig noch vor ihrer Einschulung operiert, Paulines OP folgte etwas später. Während dieser ganzen Zeit und bis heute werden die beiden engmaschig bei unserer Augenärztin überwacht: Sie steht uns bei Rückfragen immer zur Verfügung.
Wie seid ihr als Familie mit der Diagnose umgegangen?
Unsere Kinder hatten zum Diagnosezeitpunkt zum Glück noch keine Seheinschränkungen, auch wenn sie bereits erste Schäden an den Sehnerven hatten. Beide müssen natürlich weiterhin engmaschig überwacht werden, aber wir sind sehr froh, dass die Erkrankung rechtzeitig erkannt wurde, bevor bleibende Schäden entstehen konnten. Bei Helene steigt der Druck derzeit leider schon wieder an, sodass es auch sein könnte, dass sie noch einmal operiert werden muss. Das ist natürlich kein schöner Gedanke. Aber grundsätzlich können unsere Kinder ein weitestgehend normales Leben führen.
Was sind für deine Kinder, aber auch für euch als Familie die größten Herausforderungen?
Das gesamte erste Jahr war eine fortwährende Herausforderung. Wir hatten insgesamt vier Operationen, innerhalb eines Jahres waren wir sieben Mal in Magdeburg, was sehr weit von uns entfernt ist. Wir waren in Krankenhäusern und Arztpraxen zu Hause. Zwei Urlaube sind ins Wasser gefallen, wir hatten keine Erholungsmomente oder einfach mal Zeit zum Durchatmen. Das war für unsere Familie sehr kräftezehrend. Die Kinder hatten lange Fehlzeiten in Schule und Kindergarten, und wir Eltern, beide berufstätig, mussten das mit unseren Jobs unter einen Hut bekommen. Auch die Angst vor den Operationen war belastend: Den Kindern möchte man die Sicherheit geben, dass alles gut gehen wird, aber man selbst macht sich natürlich stets Gedanken. Und dann haben wir ja noch eine dritte Tochter, die fast immer dabei sein wollte, um uns alle zu unterstützen. Auch für sie war und ist das eine belastende Situation, zumal auch sie regelmäßig untersucht wird, um schnell handeln zu können, wenn sich ihre Werte verändern sollten. Eine weitere Herausforderung war der Kampf mit der Krankenkasse um ein Augendruck-Messgerät für zu Hause.
Da der Augendruck unserer Kinder stark schwankt, mussten wir sehr häufig zum Arzt. Nach langem Hin und Her, und auch dank dem Einsatz unserer behandelnden Augenärztin, haben wir nun endlich ein Messgerät für zu Hause bekommen, und es ist ein absoluter Game Changer für uns! Denn so müssen wir nur noch etwa alle drei Monate zur Kontrolle zum Arzt. Und sollten die Werte unserer Kinder doch erhöht sein, dann können wir direkt gegensteuern und Notfallmedikamente einsetzen oder unsere Ärzte zu Rate ziehen. Ohne das Gerät hätte ich mich nicht getraut, in diesem Jahr in den Urlaub zu fahren. Mit dem Gerät haben wir ein großes Stück mehr Sicherheit!
Du hast dich bei der Suche nach Spezialisten an den Bundesverband Glaukom-Selbsthilfe e. V. gewandt. Welche Rolle spielt für dich der Austausch in der Selbsthilfe?
Da wir keine anderen Betroffenen kannten, habe ich mich dort online beim Netzwerk Glaukom-Kinder informiert. Für uns war es sehr wichtig zu sehen, dass wir nicht allein sind. Die Möglichkeit, sich auszutauschen und unsere Geschichte zu erzählen, hat uns wahnsinnig gut getan. Dort konnte ich dann auch Fragen zu Anlaufstellen anbringen: Von anderen Betroffenen zu hören, dass wir in der Uniklinik Magdeburg richtig aufgehoben sind, hat uns zusätzliche Sicherheit gegeben. Zudem gibt es die Glaukom-Kinder-Tage, die alle zwei Jahre stattfinden. Bisher haben wir es zeitlich noch nicht geschafft, aber beim nächsten Mal möchten wir unbedingt dabei sein. Dort hat man die Möglichkeit, mit anderen Eltern in Kontakt zu kommen, und auch die Kinder können sich mit anderen Kindern austauschen, die ebenfalls ein Glaukom haben.
WIR SIND FÜR SIE DA!
Der Bundesverband Glaukom-Selbsthilfe e. V. (BvGS) bietet mit dem Fachbereich Kinder eine wichtige Anlaufstelle für Familien, deren Kinder von einem angeborenen Glaukom betroffen sind. Die Diagnose bringt viele Unsicherheiten und Ängste mit sich, da Eltern oft mit komplexen medizinischen Details und der Sorge um die Zukunft ihres Kindes konfrontiert werden. Genau hier setzt der BvGS an: Er bietet nicht nur fundierte Informationen, sondern über persönliche Beratungsgespräche, Online-ElternTreffen oder das Internet-Forum auch Plattformen für den persönlichen Austausch, um Eltern in ihrer Rolle als Begleiter und Unterstützer ihrer Kinder bestmöglich zu stärken. Veranstaltungen wie der Glaukom-Kindertag bieten zudem Gelegenheiten, Fachwissen zu vertiefen und sich mit Experten auszutauschen. Auch für Glaukomformen im Erwachsenenalter stellt der BvGS umfangreiche Informationsmaterialien zur Verfügung und unterstützt lokale Selbsthilfegruppen.
Glaukom – egal in welchem Lebensalter – wir sind für Sie da!
Kontaktieren Sie uns über einen unserer Kanäle:
Fachbereich Kinder im Bundesverband Glaukom-Selbsthilfe e.V.
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Text: Jens Flach