Wie wird ihre Vergleichbarkeit zum Referenzprodukt nachgewiesen? Ein Besuch bei Fresenius Kabi, dem neuen Player in der Entwicklung und Herstellung von Biosimilars, gibt einen Einblick in die Herausforderungen und Hürden, die es für ein forschendes Unternehmen zu überwinden gilt, bis am Ende auch nur ein Patient von einer oft lebensverbessernden Behandlung profitiert.
Was würde man erwarten, wenn man das Entwicklungscenter eines neuen Biosimilar-Herstellers betritt? Weiß getünchte, sterile Räume, gläserne Labore, modernste Infrastruktur im Herzen eines Schweizer Silicon Valleys? Die Realität sieht auf den ersten Blick ganz anders aus. Idyllisch gelegen inmitten eines Obst- und Weinanbaugebiets, treffe ich Michael Soldan, Head of Biosimilars bei Fresenius Kabi und Georg Feger, Head of Research, Development, Manufacturing und Supply, in ihrem „Mission Control Center“.
Michael Soldan lacht, als er diese Vorstellung berichtigt: „In Houston wird ja auch nicht die Rakete gestartet, die startet in Florida, während in Houston alles überwacht und gesteuert wird. Wir sehen uns hier ebenfalls als eine Art Kommandozentrale der Biosimilarentwicklung. Unsere Infrastruktur ist hier im Genfer Umland angesiedelt. Hier sitzen einige der besten und führenden Wissenschaftler, die das Thema Biotherapeutika von Beginn an mit begleitet haben. Für mich ist das hier die internationalste Gegend, die ich mir vorstellen kann, wenn es auf den ersten Blick auch eher einen beschaulichen Eindruck macht.“
Seitdem Eduard Fresenius 1912 das Gesundheitsunternehmen Dr. E. Fresenius gründete, haben sich die Geschäftsfelder des Unternehmens immer weiter dem steigenden Bedarf der Patienten angepasst und kontinuierlich weiterentwickelt. Heute ist der Unternehmensbereich Fresenius Kabi spezialisiert auf Therapien, die für die Versorgung von kritisch und chronisch kranken Patienten eingesetzt werden. Dazu zählen intravenös verabreichte Arzneimittel, zum Beispiel für die Onkologie und Anästhesie, klinische Ernährungstherapien und medizintechnische Produkte. Ein nächster logischer Schritt für das Unternehmen ist der Einstieg in den Biosimilars-Markt. Den Entwicklungsschritt bis zur Marktreife übernimmt die schweizer Einheit für den Mutterkonzern in Deutschland.
Mit der erworbenen Biosimilars-Pipeline konzentriert sich Fresenius Kabi auf die Behandlung von Autoimmun- und Krebserkrankungen. „Uns ist es wichtig, eine möglichst breite Versorgung des Patienten gewährleisten zu können. Und da das Wissen und die Erfahrung in der Onkologie schon vorhanden sind, lag es nahe, zukünftig auch ein Angebot für Biosimilars zu schaffen. Aber es war uns dabei nicht nur wichtig, Biosimilars in der Produktpalette zu haben, sondern es kam auch besonders auf das Team an, das sich um die Weiterentwicklung kümmert. Nur so kann dieses Geschäftsfeld innerhalb von Fresenius Kabi wachsen und der Fortschritt weitergehen“, so Michael Soldan.
Biosimilars, eine gewaltige Aufgabe
Der Schritt, als Gesundheitsunternehmen in das Segment der Biosimilars zu gehen, bedeutet eine große und mutige Investition, denn im Vergleich zur Herstellung von Generika ist dies nicht nur ein teures, sondern auch ein komplexes Forschungsfeld. Michael Soldan unterstreicht den Gedanken: „Das ist genau das, was einige Firmen erst lernen mussten. Die Entwicklung von Biosimilars ist nicht weniger komplex als die Entwicklung des Originalprodukts. In der frühen Entwicklungsphase ist sie sogar noch wesentlich komplexer.“
Wie herausfordernd genau, das weiß Georg Feger in seiner Position als Head of Research, Development, Manufacturing und Supply nur zu gut. Seit 2012 arbeitet er in der Entwicklung von Biosimilars. „Betrachtet man ein Generikum, stellt man fest, dass es einzig aus nur einer chemisch definierten Substanz besteht. Biotechnologische Arzneimittel hingegen bestehen nicht aus einem einzigen definierbaren Molekül, sondern es sind Milliarden von Molekülen, die durch die Herstellung in Zellen in bestimmten Merkmalen variabel sind. Die Gesamtheit aller ist somit das biotechnologische Arzneimittel.“
Diese Variabilität macht die Arbeit an den biologischen Produkten zu einer Herausforderung und stellt die Arbeit zur Entwicklung von Biosimilars auf zwei wichtige Pfeiler: die intensive Analytik des Orginalprodukts und darauf aufbauend der Herstellungsprozess des Biosimilars. Georg Feger: „Für uns steht von Beginn an die Suche nach den entsprechenden Qualitätsmerkmalen, die das Originalprodukt mit sich bringt, im Fokus. Denn genau diese Qualitätsmerkmale gilt es am Ende auch zu erreichen. Diese Hürde kennen die Hersteller des Originals nicht, denn sie waren bei der Entwicklung ihres Medikaments völlig frei. Sie konnten als Erste eine neue Schneise in den Urwald schlagen. Bei der Entwicklung von Biosimilars ist das völlig anders, denn wir müssen nun genau schauen, dass wir genau auf den Pfaden des Originals bleiben, und das, ohne vorher zu wissen, wo diese eigentlich sind.“
Wie sieht das Originalprodukt aus, welche Struktur hat es, welche Qualitätsmerkmale liegen vor? Alles Fragen, auf die das Team um Michael Soldan und Georg Feger Antworten finden muss. „Wir müssen immer erst herausfinden, welche Eigenschaften Einfluss und welche vielleicht keinen Einfluss auf die Sicherheit und Wirksamkeit des Medikaments haben. Weicht man bei der Entwicklung von dieser Linie ab, ist es eben nicht mehr garantiert, dass das Produkt noch sicher und wirksam ist. Es braucht Leute, die nicht nur den äußeren Rand einer Scheibe, sondern genau die Mitte treffen! Wenn man nicht die nötige Erfahrung hat, dann kann es auch schiefgehen. Erschwerend kommt noch hinzu“, wirft Michael Soldan ein, „dass es weltweit je nach Region durchaus Unterschiede beim Originalprodukt geben kann. Diese Unterschiede müssen wir erst einmal finden, um dann zu definieren, wo wir die Grenzen setzen müssen und wie wir tatsächlich ein Biosimilar entwickeln, das in Europa und in den USA den Anforderungen entspricht.“
Bereit für die Zukunft
Wenn die Analytik und Herstellung das Ziel am Ende genau trifft, klären im nächsten Entwicklungsschritt klinische Studien die Sicherheit und Wirksamkeit des Biosimilars. Der Hersteller ist dazu verpflichtet, die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Biosimilars im Vergleich zum Referenzprodukt nachzuweisen.
In Europa befinden sich seit nunmehr zwölf Jahren Biosimilars auf dem Markt, und trotzdem ist das Wissen über Biosimilars in allen Bereichen, nicht nur beim Patienten, verbesserungswürdig. Michael Soldan wünscht sich jedoch vor allem eines: „Dass durch die Reihen der Verschreiber ein Ruck geht und sich noch mehr mit dem Thema beschäftigt wird.
Wenn am Ende dem Patienten tatsächlich die Behandlung ermöglicht werden soll, muss sichergestellt sein, dass vom Gesetzgeber, den Krankenkassen bis hin zum Hausarzt alle das entsprechende Verständnis vom Nutzen der Biosimilars haben. Biosimilars haben in den letzten zwölf Jahren bewiesen, dass es sich um sichere und wirksame Arzneimittel handelt, die eine wichtige Behandlungsoption für Patienten darstellen. Mit dem gleichen Budget können so mehr Patienten von den hochwertigen biologischen Therapien profitieren.
Fresenius Kabi hat es sich zum Ziel gesetzt, in Zukunft nicht nur eine, sondern auch zwei oder drei Lösungen für Ärzte und Patienten zum Beispiel bei Autoimmunerkrankungen parat zu haben und sich als führender Hersteller von Biosimilars zu etablieren. Wir wollen also mit unserer Mission quasi nicht nur bis zum Mond, sondern auch gerne noch einen Schritt weiter!“