Evelyn Schiffner wurde im Jahr 1995 gerade 37 Jahre alt, als sie an ihrem Geburtstag die Diagnose bekam: Gallertkarzinom! Eine seltene, aber sehr aggressive Krebsart im Bauchraum. „Die Ärzte gaben mir ein halbes Jahr. Ich war wie betäubt, traumatisiert, dumpf. Und ich hatte Angst, dachte: Was wird aus meinen Kindern? Das soll alles gewesen sein? Ich konnte es nicht fassen“, erinnert sich die heute 58-Jährige.
Doch die Lehrerin für Physik und Mathematik ließ sich so schnell nicht unterkriegen. Nach einer erfolglosen Operation und Chemotherapie informierte sie sich umfassend und setzte schließlich den Wunsch nach einer integrativen Behandlung mit Mistelextrakt bei ihren Ärzten durch.
Im Fokus der Forschung
Die Mistel, früher auch Hexenkraut und Donnerbesen genannt, wächst kugelförmig auf Bäumen und blüht im Winter mit der Bildung weißer Beerenfrüchte. Der Naturwissenschaftler, Philosoph und Begründer der Anthroposophie Rudolf Steiner (1861 bis 1925) zählt zu den Ersten, die den gesundheitsfördernden Effekt der „eigensinnigen“ Pflanze bei Krebserkrankungen erkannten.
Es geht darum, dem Patienten zu helfen, sein eigener Heiler zu werden.
Gemeinsam mit der Frauenärztin Ita Wegman entwickelte er das erste Mistelinjektionspräparat für die Tumorbehandlung. Damit legten sie den Grundstein für die weitere wissenschaftliche und klinische Erforschung, die seit den 1960er-Jahren stark zunahm.
Aktivieren der körpereigenen Abwehrkräfte
Heute belegen klinische Studien: Die Extrakte der Mistel können einen Tumor angreifen, das Immunsystem stärken und die Lebensqualität der Patienten deutlich verbessern. Durch ein Mistelpräparat kann das während und nach der Chemo auftretende Fatigue-Syndrom mit Schlaf- und Appetitlosigkeit oder Übelkeit geringer oder verhindert werden.
Ganzheitliche, biologische, integrative medizinische Therapien und psychoonkologische Unterstützung waren für mich entscheidende Maßnahmen zur Krankheitsbewältigung.
Zudem soll es stimmungsaufhellend wirken. Dr. Anette Jänsch, Expertin für Biologische Tumortherapie am Immanuel-Krankenhaus in Berlin-Wannsee, sieht in der integrativen Krebsbehandlung ein wirksames Therapiekonzept: „Ziel der klassischen Onkologie ist vorrangig das Beseitigen von Tumoren. Kommt die Naturheilkunde dazu, wird der Mensch in seiner Gesamtheit wahrgenommen. Dabei geht es darum, dem Patienten zu helfen, sein eigener Heiler zu werden.“
Die Mistel also als „Hilfe zur Selbsthilfe“? „Ja, so kann man das sagen“, bestätigt Jänsch. Die Mistel sei mehr als ein mittelalterlicher Mythos. Mit ihren etwa 600 Eiweißen und 1.000 unterschiedlichen Enzymen gehöre der „Schmarotzer“ zu den wissenschaftlich am besten untersuchten Heilpflanzen: „Bei Operationen und Bestrahlungen werden die Lymphozyten geschädigt. Sie zählen zu den weißen Blutkörperchen und sind wesentlicher Bestandteil unseres Abwehrsystems. Mit der Misteltherapie kann die Wiederherstellung ihrer normalen Funktion unterstützt werden.“
Für Evelyn Schiffner ging das Konzept auf: „Ganzheitliche, biologische, integrative medizinische Therapien und psychoonkologische Unterstützung waren für mich entscheidende Maßnahmen zur Krankheitsbewältigung.“ Bei ihren Ärzten setzte sie die begleitende Misteltherapie kombiniert mit Hyperthermie durch. Zum Glück. 21 Jahre nach der Diagnose fühle sie sich immer noch gut und belastbar. Der Tumormarker blieb seither stabil.