– eine Aussage, die weder infrage gestellt noch relativiert werden kann. Es steht jedoch außer Zweifel, dass die genetische Ausstattung eines Menschen sein Leben in entscheidendem Maße beeinflussen kann.
Prof. Dr. Boris Fehse
Forschungsabteilung Zell- und Gentherapie, Klinik für Stammzelltransplantation, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Präsident e. o. der Deutschen Gesellschaft für Gentherapie (2018-2020) – Foto: UK Hamburg-Eppendorf
Während die einen Unterschiede in der Erbinformation für die Vielfalt der menschlichen Spezies sorgen (von der Augenfarbe bis zum Immunsystem), können andere, zum Teil minimale Änderungen („Mutationen“), krank machen. Zwar sind die meisten genetisch bedingten Erkrankungen sehr selten, doch aufgrund ihrer großen Zahl (circa 10.000) gehen Experten davon aus, dass circa fünf Prozent der Neugeborenen einen genetischen Defekt tragen, der sich früher oder später in einer – manchmal sehr schweren – Erkrankung manifestiert.
Experten gehen davon aus, dass circa fünf Prozent der Neugeborenen einen genetischen Defekt tragen, der sich früher oder später in einer – manchmal sehr schweren – Erkrankung manifestiert.
Für viele der genetischen Krankheiten sind die Ursachen, die vom Austausch oder Fehlen einzelner Genbausteine (Nukleotide) bis hin zu Fehlern auf der Ebene ganzer Chromosomen reichen können, und die resultierenden pathogenen (krank machenden) Mechanismen bekannt. Basierend darauf wurden schon vor Jahren Programme für das Neugeborenenscreening eingeführt, um Therapien so früh wie möglich zu initiieren. Mit der Kenntnis des gesamten menschlichen Genoms und der Entwicklung neuer Technologien wie der Hochdurchsatzsequenzierung gibt es inzwischen auch die Möglichkeit, für bestimmte genetische Defekte molekulare Tests an Blutproben der Schwangeren vorzunehmen (Pränataldiagnostik). Doch nicht nur die Diagnostik profitiert – die ersten Gentherapien für die Behandlung monogener (von einem Gen verursachter) Krankheiten sind inzwischen auch in Europa zugelassen.
Neben den sich unmittelbar in Krankheiten manifestierenden Defekten spielt die Summe unserer genetischen Anlagen eine wichtige Rolle für das Risiko der Entstehung verschiedener „Volkskrankheiten“ – von Diabetes über Bluthochdruck bis hin zu Krebs. Als Beleg diene die Tatsache, dass mancher Kettenraucher 100 wird und auch Nichtraucher an Lungenkrebs sterben können. Das Verständnis der Rolle einer Vielzahl zumeist kleiner genetischer Unterschiede bei der Krankheitsentstehung hilft uns nicht nur dabei, die Krankheitsmechanismen besser zu verstehen. Es wird auch dazu beitragen, Therapien genauer auf den einzelnen Patienten zuzuschneiden. Solchen maßgeschneiderten oder personalisierten Therapien gehört zweifellos die Zukunft. Und diese hat schon begonnen. In der Krebsmedizin bestimmt die genetische Diagnostik schon heute in großem Maße über die individuelle Therapie.
Während Deutschland mit der Nationalen Strategie für Genommedizin genomDE in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen hat, um den klinischen Einsatz von Genomdiagnostik voranzutreiben, hinkt unser Land, wie der gesamte europäische Raum, bei der Gentherapie deutlich hinter der internationalen Entwicklung zurück. Hier bedarf es sehr schnell großer, gemeinsamer Forschungsanstrengungen und vor allem breit angelegter fi nanzieller Unterstützung, damit das Motto dieser Kampagne „Unsere Gene – Schlüssel zu neuen Diagnosen und Therapien“ in seiner Gesamtheit auch hier in Europa realisiert werden kann.