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    Personalisierte Medizin: Der Türöffner im Hintergrund ist die gezielte Labordiagnostik

    Foto: PopTika via Shutterstock.com

    Dr. Martin Walger, Geschäftsführer Verband der Diagnostica-Industrie, im Interview

    Dr. Martin Walger

    Geschäftsführer, Verband der Diagnostica-Industrie

    Personalisierte Medizin rückt immer stärker in den Fokus der Forschung. Was versteht man unter diesem doch weit gefassten Begriff?

    Personalisierte Medizin ist die Medizin der Zukunft. In der Arzneimitteltherapie heißt das: Die Auswahl des richtigen Medikaments basiert auf der präzisen Krankheitsdiagnose und der Bestimmung individueller Merkmale des Patienten, die die Wirksamkeit, Verträglichkeit und Dosierung eines Medikaments beeinflussen. Das Ziel ist die passgenaue Therapie mit möglichst wenig Nebenwirkungen und hoher Aussicht auf Erfolg. Bildlich gesprochen: Wir ersetzen das therapeutische „One size fits all“ durch „Konfektionsgrößen“ und wollen hin zum therapeutischen „Maßanzug“. Dieses Prinzip gilt auch für die personalisierte Früherkennung von Krankheiten, ein Schwerpunkt in der aktuellen Krebsforschung.

    Kernstück der personalisierten Medizin ist die Diagnostik. Was bedeutet das?

    Die Bestimmung individueller Patientenmerkmale meint heute nicht mehr allein Alter, Gewicht und Vorerkrankung. Hinzu kommen genetische, molekulare und zelluläre Besonderheiten des Patienten. Es ist die Errungenschaft der modernen Labordiagnostik, dass auch diese Patienteneigenschaften immer genauer erkennbar und messbar geworden sind. Viele denken zuerst an pharmazeutischen Fortschritt und Arzneimittelinnovationen. Der Türöffner im Hintergrund ist immer die gezielte Labordiagnostik. Sie ermöglicht ein besseres Verständnis von physiologischen und pathologischen Zuständen. Aussagekräftige Biomarker zu identifizieren und zu validieren, ist wesentlicher Taktgeber für eine stärkere Nutzung der personalisierten Medizin.

    Die Bestimmung individueller Patientenmerkmale meint heute nicht mehr allein Alter, Gewicht und Vorerkrankungen. Hinzu kommen genetische, molekulare und zelluläre Besonderheiten.

    In welchen Gebieten kommt die personalisierte Medizin zum Einsatz?

    Am weitesten verbreitet ist die personalisierte Medizin derzeit in der Onkologie. Trotz gleicher Krebsart sind die speziellen Eigenschaften des Tumors von Patient zu Patient verschieden. Biomarker geben darüber Auskunft. Prognostische Biomarker liefern Hinweise auf den zu erwartenden individuellen Verlauf der Erkrankung. Prädiktive Marker ermitteln die krebsauslösende Mutation und ermöglichen Aussagen über die Wahrscheinlichkeit, mit der eine bestimmte Therapie bei einem Patienten wirksam ist. Wie schnell wird ein Medikament verstoffwechselt? Muss eine Umstellung auf andere Medikamente erfolgen? Welche Rückfallwahrscheinlichkeit bei Krebserkrankungen besteht? Gibt es besondere Risiken bei genetischer Vorbelastung? Auf diese Fragen können Biomarker patientenbezogen Antworten geben.

    Personalisierte Medizin soll zu höherem Therapieerfolg führen. Gibt es Indikationsgruppen, bei denen die personalisierte Medizin besonders zielführend ist?

    Die Onkologie bleibt das wichtigste Einsatzgebiet. Bei chronischen Erkrankungen wie Rheuma oder Diabetes wird der Nutzen zunehmend erkennbar. Auch Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, ATMP) gehören zur personalisierten Medizin. Sie umfassen Anwendungen, die auf Genen, Geweben oder Zellen beruhen und tatsächlich auf das einzelne Individuum zugeschnitten sind. Auch die Entwicklung und die Anwendung von ATMP in der medizinischen Versorgung erfordern eine spezielle Labortechnologie.

    Was muss auf gesundheitspolitischer und forschungsbasierter Ebene passieren, damit die personalisierte Medizin immer weiter vorangetrieben werden kann?

    Es ist erstens wichtig, das Erstattungssystem weiterzuentwickeln, um die Chancen der personalisierten Medizin für alle zu verankern. Zweitens muss die Digitalisierung des Gesundheitswesens massiv beschleunigt werden. Es liegt auf der Hand, dass die Sammlung, Zusammenführung und Analyse von Daten aus komplexen diagnostischen und medikamentösen Verfahren nicht anders zu bewerkstelligen ist. Und drittens ist zu wünschen, dass industrielle Forschung – selbstverständlich unter Berücksichtigung eines angemessenen Datenschutzes – einen besseren Zugang zu Daten der Gesundheitsversorgung erhält. Mit dem Konzept eines europäischen Gesundheitsdatenraums gibt es hierzu interessante Denkanstöße der EU-Kommission.

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