Kann die regelmäßige zahnärztliche Untersuchung zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen? Auf jeden Fall. Alle 6 Monate zur Kontrolle.
Dr. Kristin Arp
Foto: Lichtformate
Welche Zusammenhang gibt es aus Ihrer Sicht zwischen Mundgesundheit, insbesondere Parodontitis, und Herz-Kreislauf-Erkrankungen?
Auf den ersten Blick ist die Parodontitis eine chronische Entzündung im Mund. Bakterien sorgen für eine Zahnfleischentzündung, die unbehandelt zum Zahnverlust führt. Dies passiert schmerzfrei und meist unbemerkt. Wenn wir aber ganz ehrlich sind, ist das eine völlige Untertreibung!
Wenn Sie an Star Wars denken…dann ist das Kinderfasching gegenüber dem, was diese Bakterien in unserem Mund wirklich anrichten können! Das Microbiom im Mund ist ein sensibles Ökosystem, vergleichbar mit dem Amazonas. Wird diese Balance gestört, dann haben die „Bad Guys“ der Truppe ihren Moment. Mit einer ausgeklügelten Angriffstaktik arbeiten verschiedene Bakterienarten zusammen. Sie zerstören nicht nur Gewebe, sondern sorgen für eine Entzündung, die sich auch über das Blutsystem ausbreitet. Sie kapern regelrecht körpereigene Abwehrzellen und „reisen“ so als blinde Passagiere zu den entlegensten Körperregionen um ihr Unheil dort fortzusetzen. Wir haben in Studien genau diese Mundbakterien auf den Herzklappen gesunder Patienten gefunden. Sie dringen in die Gefäßwände ein und sorgen dort für weitere Entzündungsschäden. Die Bakterien fördern die Thrombosebildung und dadurch Herzinfarkte und Schlaganfälle. Als wäre das nicht genug, sorgen sie dafür, dass sich Ablagerungen (Plaques) in den Gefäßen bilden. Die Atherosklerose. Genau diese Bakterien wurden auch in Plaques im Gehirn nachgewiesen. Mundbakterien können also auch Erkrankungen wie Alzheimer verschlimmern. Das ist doch schon eher Science Fiction, oder?
Wie wirkt sich eine unbehandelte Parodontistis auf die Allgemeingesundheit aus?
Parodontitis-Bakterien sind wie der „Joker“ für die schwarze Seite der Macht. Sie verschlimmern alle Erkrankungen, die auf Entzündungen beruhen. Z.B. Diabetes Typ 2. Wer Parodontitis hat, dessen Blutwerte verschlechtern sich trotz Diabetes-Medikamenten. Genauso bei entzündlichen Darmerkrankungen. Dort zerstören die Bakterien mit ihren Entzündungsstoffen zusätzlich die Darmwand und heizen die „explosive“ Stimmung weiter mit an. Gleiches bei rheumatoider Arthritis, einer Gelenkerkrankung. Schwangeren Frauen mit Parodontitis erleben weitaus mehr Frühgeburten und haben Neugeborene mit reduziertem Geburtsgewicht im Vergleich zu Frauen ohne diese Erkrankung. Sie ahnen es, wer selbst davor keine Zurückhaltung kennt, der ist auch Pate für „the Evil“. Neue Studien zeigen: sie unterstützen das Wachstum von Krebszellen in Darm und im Kopfbereich. Fördern sogar die Metastasenbildung.
Ein sehr ernstes Problem ist: sie sorgen für Antibiotika- und Chemotherapie-Resistenzen. Diese wirken dann weniger oder gar nicht mehr. Daher sind diese Bakterien weitaus mehr als nur für Zahnfleischbluten verantwortlich.
Wie erkenne ich, ob ich Parodontitis habe?
Sie haben Zahnfleischbluten, wenn Sie Zwischenraumbürstchen und Zahnseide verwenden? Und dann hören Sie auf, denn es blutet. Richtig? FALSCH. Das sind Rauchbomben und Sie fallen drauf rein und die Bakterien machen weiter mit dem Siegeszug gegen Ihre Gesundheit. Bis heute. Denn ab heute wissen Sie: wenn das nach einer Woche nicht weg ist, dann liegt das Problem schon tiefer. Zähne die länger werden oder sich verschieben sowie Mundgeruch sind ebenfalls Anzeichen.
Kann die regelmäßige zahnärztliche Untersuchung zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beitragen?
Auf jeden Fall. Alle 6 Monate zur Kontrolle. Wir messen die Taschen (völlig schmerzfrei) aus und können zusätzlich auf Röntgenbildern innerhalb weniger Minuten die Diagnose mitteilen. Wir können Parodontitis sehr gut behandeln.
Welche Rolle spielt die Mundhygiene im Alltag im Hinblick auf die Vorbeugung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen? Haben Sie Tipps für eine optimale Zahnpflege, die Herz und Kreislauf schützt?
Sie ahnen es: Zahnseide UND Bürstchen. Elektrische Bürsten sind deutlich effizienter. Die Zahnpasta ist nicht kriegsentscheidend. Wichtig ist: KEINE Mundspülung mit Alkohol oder Chlorhexidin (CHX) täglich verwenden! Dies tötet auch die „guten“ Bakterien. Studien zeigten eindrucksvoll, dass allein das Bluthochdruck auslösen kann.
Kann ich selbst etwas tun?
Na klar! Lifestyle ist ein wichtiges Tool, wenn wir über Parodontitis reden. Übergewicht und Diabetes Typ 2 gilt es zu verhindern. Stress über lange Zeit schwächt die Immunabwehr. Rauchen verschlechtert Parodontitis massiv. Und Alkohol? Ich halte mich seit meiner Brustkrebserkrankung an den Ratschlag des Onkologen: Nicht übertreiben, qualitativ hochwertig bleiben! In diesem Sinne: rutschen Sie fröhlich in ein gesundes, neues Jahr!
Weitere Informationen über die Zahnärtzin Dr. Kristin Arp finden Sie auf LinkedIn und Instagram!
5 Risikofaktoren Für Herz-KreislaufErkrankungen
BLUTHOCHDRUCK (HYPERTONIE)
Ein anhaltend hoher Blutdruck belastet das Herz und die Gefäße, was zu Schäden und Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann.
RAUCHEN
Tabakkonsum schädigt die Blutgefäße, erhöht das Risiko von Arteriosklerose (Gefäßverengung) und kann zu Herzinfarkt oder Schlaganfall führen.
HOHE CHOLESTERINWERTE
Ein hoher Anteil an LDLCholesterin (“schlechtes” Cholesterin) fördert die Bildung von Plaques in den Arterien, was das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall erhöht.
DIABETES MELLITUS
Ein schlecht eingestellter Blutzuckerspiegel kann die Blutgefäße schädigen und das Risiko von Herz-KreislaufErkrankungen erheblich steigern.
ÜBERGEWICHT UND BEWEGUNGSMANGEL
Übergewicht, insbesondere viszerales Fett, ist oft mit Bluthochdruck, hohen Cholesterinwerten und Insulinresistenz verbunden, was das Herz-Kreislauf-Risiko erhöht. Bewegungsmangel verschärft diese Probleme.