Vor einem Jahr war ich Teil der Kampagne #positivzusammenleben zum Welt-Aids-Tag. Ein gutes Jahr nach meinem positiven HIV-Test hingen in ganz Deutschland Großplakate mit mir und einer guten Freundin. Ich hielt ein Schild in der Hand mit der Aufschrift: „Mit HIV kann ich alt werden! Noch Fragen?“
Im Jahr zuvor hatte ich meine Vorgänger auf den Plakaten gesehen und dachte: „Das würde ich auch gern machen. Das wäre sicher gut für mich.“ Mein Partner und meine engere Familie hatten sehr unterstützend reagiert, als ich ihnen von meiner HIV-Infektion erzählt hatte. Mit der Kampagne wollte ich es nun allen anderen auf einmal sagen, damit ich nicht mit jedem einzeln reden musste. Und vor allem wollte ich deutlich machen, dass man mit HIV heute gut leben kann.
Gesagt, getan. Die Reaktionen waren bemerkenswert und sehr erfreulich. Es ist genau das passiert, was ich wollte. Als „meine Plakate“ hingen, sprachen mich Menschen aus meiner Familie, meinem Freundeskreis und Bekannte an. Viele waren überrascht und haben genauer nachgefragt, was los ist. So habe ich mit ganz vielen Leuten über HIV sprechen können. Ich habe nicht eine einzige negative Reaktion auf meine öffentliche Präsenz bekommen. Ich hörte nur Sätze wie „Das ist ja super!“, „Wir sind stolz auf dich!“, „Wir finden es richtig gut und wichtig, dass du das machst“. Das war schön.
Ich bekam massiven Zuspruch gerade auch von Seiten, wo ich nicht damit gerechnet hatte. Meine Tante war wahnsinnig stolz und glücklich über das, was ihr Neffe da machte. Mit ihrer sehr wertschätzenden und unterstützenden Einstellung hat sie auch meine Mutter beflügelt. Nicht alle in meiner Familie wussten vorher von meiner Infektion. Die Kampagne hat zu einem verstärkten Austausch geführt. Bei den nächsten zwei Hochzeiten gab es viele richtig gute Gespräche.
Eine andere Lieblingsreaktion kam von einer ehemaligen Kollegin. Als sie die Plakate sah, war sie mit einem konservativen Verwandten unterwegs und sagte zu ihm: „Guck mal, das ist mein Kollege!“ Und der Mann meinte: „Wie, hat der etwa HIV?“ Ihre Antwort: „Wusste ich auch nicht. Spielt doch aber auch keine Rolle.“
Seit meinem breiten positiven Coming-out fühle ich mich sehr viel freier und ehrlicher. Das Gefühl, mich verstecken zu müssen, ist völlig verschwunden. Auch wenn das vielleicht merkwürdig klingt: Teil einer aufwendigen bundesweiten Kampagne zu sein, hat mein Leben einfacher gemacht. Und mir viel Selbstbewusstsein im Umgang mit dem Thema gegeben.
Wer das auch will, sollte sich vorher gut über die eigene Infektion informieren. Denn es kommen natürlich nach so einem Outing viele Fragen. So wird das Ganze auch zu einer Lernerfahrung. Ich kann jetzt auch mir selbst so gut wie jede Frage über meine HIV-Infektion beantworten. Und ich weiß, wie akzeptierend und liebevoll meine Familie und mein Umfeld sind. Und das fühlt sich super an.