Akne inversa, in Fachkreisen auch Hidradenitis suppurativa/HS genannt, ist eine chronische, sehr schmerzhafte systemische Erkrankung
Als autoinflammatorische Erkrankung betrifft sie hauptsächlich (aber nicht ausschließlich) die Areale unter den Achseln, in den Leisten, im Intimbereich, in der Pofalte und in der Brustfalte. Die Haut ist in diesen Bereichen in Schubphasen stark entzündet und bildet eitrige Abszesse. Betroffene leiden enorm: Sowohl durch die körperlichen Auswirkungen der Erkrankung als auch durch die Einschränkungen des sozialen Lebens, welche die Erkrankung mit sich bringen kann.
Wir sprachen mit dem Dermatologen Dr. Uwe Kirschner (Mainz) über Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten und die vertrauensvolle Beziehung zwischen Patienten und den behandelnden Ärzten, um Betroffenen ein Stück Lebensqualität zurückzugeben.
Dr. med. Uwe Kirschner
Dermatologe, Venerologe und Phlebologe, Berufsdermatologe/ berufsdermatologischer Gutachter (ABD)
Foto: Martin-Karl Gosselin
Dr. Kirschner, was genau passiert bei der Akne inversa im Körper Betroffener und wie sehen die Symptome und mögliche Begleiterkrankungen aus?
Die chronische Erkrankung führt zu einer übermäßigen Produktion von Talg in der Haut der Patienten. Dieser verhärtet sich am Ausgang des Haarfollikels und verursacht eine Verstopfung. Dadurch wird der normale Abfluss aus der Talgdrüse blockiert, was zu Entzündungen führt. Diese Entzündungen schwellen an, können aufplatzen und verursachen je nach Ausmaß unterschiedliche Probleme bei den Betroffenen. Dies kann von Furunkelbildung über entzündliche Knoten und Abszesse bis hin zur Entwicklung von Fisteln reichen. Diese können beträchtliche Größen erreichen, vergleichbar mit Tennisbällen, und äußerst schmerzhaft sein. Die Intensität der Akne inversa kann durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden wie Übergewicht, übermäßiges Schwitzen, ausgeprägte Behaarung, Diabetes oder Rauchen. All diese Einflüsse können die Schwere der Symptome verstärken und die Ausprägung der Erkrankung beeinflussen, dürfen aber nicht überbewertet werden, da sie keine Ursache darstellen.
Betroffene erleben auf der Suche nach der Diagnose oft eine jahrelange Odyssee und sehen verschiedene Ärzte: Hausärzte, Gynäkologen oder gar Notfallmediziner. Wie können Diagnosewege aus Ihrer Sicht verkürzt werden?
Der Hautarzt ist die beste und schnellste Anlaufstelle für Betroffene. Obwohl gelegentliche chirurgische Eingriffe in der Notfallambulanz vorübergehende Schmerzlinderung bieten können, sind sie keine langfristige Lösung. Eine nachhaltige Betreuung der Akne inversa durch den behandelnden Arzt ist unerlässlich. Häufig suchen Menschen erst spät einen Hautarzt auf, was dazu führen kann, dass die chronische Natur der Erkrankung nicht rechtzeitig erkannt wird. Die Sensibilisierung von Ärzten und Kollegen für diese Erkrankung kann dazu beitragen, die Diagnosestellung zu beschleunigen und den Betroffenen früher zu helfen. Eine rechtzeitige Diagnose und angemessene Behandlung können den Verlauf der Erkrankung verbessern und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich erhöhen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten sehen Sie aktuell für leichte und schwere Formen der Akne inversa?
Die Palette der Behandlungsmöglichkeiten ist breit gefächert. Bei akuter Entzündung kann zunächst eine antibiotische Behandlung in Erwägung gezogen werden, ebenso kann ggf. eine Abszessspaltung angeraten sein. Für Patienten mit leichter bis mittelschwerer Akne inversa steht eine physikalische Therapie zur Verfügung, eine Kombination aus Lichttherapie (IPL) und elektromagnetischen Wellen (Radiofrequenz). Bei schwerer betroffenen Patienten sind gezielte Wirkstoffe wie ausgewählte Antibiotika oder bestimmte Biologika eine Option. In manchen Fällen kann sogar eine operative Entfernung ganzer Regionen erforderlich sein, um Besserung zu erzielen.
Betroffene leiden sehr unter den Auswirkungen der Erkrankung, z.B. durch den enormen Schmerz oder die Geruchsentwicklung, die mit den eitrigen Abszessen einhergehen kann. Warum ist ein sensibler Umgang mit den Patienten seitens der behandelnden Ärzte so wichtig?
Die Betroffenen dieser chronischen Erkrankung leiden sehr unter starken Schmerzen. Plötzlicher Eiteraustritt und die Ausbildung großer Wundflächen führen zu einer erheblichen psychischen Belastung, die eine behutsame Herangehensweise erfordert. Der erhöhte Schamfaktor, insbesondere wenn Akne inversa im Genitalbereich auftritt, macht es notwendig, in der ärztlichen Konsultation äußerst sensibel vorzugehen. Zusätzlich sollten potenzielle Verbesserungsmaßnahmen wie Rauchstopp oder Gewichtsabnahme, die zur Linderung beitragen könnten, als langfristige Prozesse betrachtet werden, die nicht von heute auf morgen umgesetzt werden können. Daher ist die Entwicklung einer vertrauensvollen Beziehung zum Patienten von entscheidender Bedeutung, um gemeinsam an der Verbesserung der Situation zu arbeiten. In solchen Situationen ist es unerlässlich, dass der behandelnde Arzt ruhig und besonnen agiert, um den bestmöglichen Umgang mit den physischen und psychischen Herausforderungen zu gewährleisten.
Von welchen Herausforderungen berichten Ihnen Betroffene, die sie am stärksten in ihrem Alltag beeinträchtigen?
Die Akne inversa stellt für Betroffene eine erhebliche Belastung im täglichen Leben dar. Die Knoten, die in empfindlichen Bereichen auftreten, beeinträchtigen nicht nur die physische Gesundheit, sondern auch die Alltagsgestaltung der Patienten. Insbesondere im Arbeitsalltag führen die schmerzhaften Knoten zu Schwierigkeiten beim Sitzen und Bewegen, was die Produktivität einschränkt und zu Ausfallzeiten führt. Die offene Wundheilung nach Operationen und die eigenständige Wundversorgung stellen weitere Herausforderungen dar. Die frischen Wunden erfordern nicht nur eine besondere Pflege, sondern können auch zu einem längeren beruflichen Ausfall führen, da die Genesungszeit verlängert wird. Akne inversa ist die Hauterkrankung, welche mit der höchsten Wahrscheinlichkeit einhergeht, dass die Betroffenen erwerbsunfähig werden. Die anhaltenden Schmerzen ebenso wie belastende Ekelgefühle, Scham, unangenehme Nässegefühle und Geruchsbelastungen bei (spontaner) Eiterentleerung haben auch ganz erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität und die Freude an sozialen Aktivitäten. Die Notwendigkeit Schmerzmittel einzunehmen, um den Schmerzen entgegenzuwirken, wirkt sich zusätzlich auf den Alltag der Betroffenen aus und kann deren Handlungsfähigkeit einschränken.
Was wünschen Sie sich an Verbesserungen für die Versorgung Betroffener, sowohl bezüglich der Behandlung der physischen als auch der psychischen Faktoren der Erkrankung?
Es ist wichtig, eine Sensibilität für diese chronische Krankheit zu schaffen. In den letzten Jahren hat sich diesebzüglich schon etwas getan und es gibt vermehrt Fachärzte, die sich diesem Thema annehmen und neue Behandlungsmöglichkeiten anbieten. Es ist unerlässlich, dass Betroffene mit ihrer Erkrankung nicht alleine gelassen werden. Durch eine verstärkte Fokussierung auf die Krankheit können Betroffene schneller und gezielter zu den passenden Therapiemöglichkeiten geführt werden.
Die Bereitstellung einer ganzheitlichen Unterstützung, die sowohl physische als auch psychische Faktoren berücksichtigt, ist von entscheidender Bedeutung, um die Lebensqualität der Betroffenen nachhaltig zu verbessern.