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    Genomsequenzierung entschlüsselt Erbgut von Krebszellen zur zielgerichteten Behandlung

    Foto: shubham-dhage f2ZZ3KqaY0E unsplash

    Was eine Krebszelle zur Krebszelle macht, entschlüsselt die Molekularbiologie mit der Genomsequenzierung. Prof. Dr. Jürgen Wolf, Ärztlicher Leiter des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) am Uniklinikum Köln und Sprecher des nationalen Netzwerks Genomische Medizin-Lungenkrebs (nNGM) erklärt, wie dank der Erbgutentschlüsselung die typischen Merkmale einer Krebszelle als Zielmarke für Therapien genutzt werden, die zielgerichteter als Chemotherapien wirken.

    Jede Tumorzelle lässt sich genomisch sequenzieren. Und deshalb sollte das Verfahren Standard in der Diagnostik werden.

    Prof. Dr. Jürgen Wolf

    Ärztlicher Leiter des Centrums für Integrierte Onkologie (CIO) am Universitätsklinikum Köln und Sprecher des nationalen Netzwerks Genomische Medizin-Lungenkrebs (nNGM)

    Foto: Bettina Flitner

    Was kann man sich unter Genomsequenzierung vorstellen?

    Das gesamte Erbgut jeder einzelnen Zelle des Körpers wird Genom genannt und steckt im Kern der Zelle. Dort wird es in der DNA gespeichert. Das Genom umfasst Informationen zu den Zellfunktionen, darunter auch zum Alterungs- und Sterbeprozess. Die Molekularbiologie ist inzwischen in der Lage, sämtliche Abschnitte (Gene) der DNA schnell und preiswert zu entschlüsseln.

    Was macht eine Krebszelle zur Krebszelle?

    Die Genomsequenzierung klärt nicht nur zur Funktionsweise, sondern auch zu Gesundheit oder Krankheit der Zelle auf. Bei krebskranken Zellen erfahren wir dank ihr, was die Krebszelle ausmacht: Die Gene von Zellen einer Krebsgeschwulst (sogenannter Tumor) zeigen im Vergleich zu gesunden Zellen je nach Krebsart typische Veränderungen auf. Diese werden auch Defekte oder Mutationen genannt. Es gibt harmlose Passagiermutationen, gefährlich mutierte Krebsgene (Onkogene) sowie Treibermutationen.

    Welche Vorteile bringt die Genomsequenzierung für das Behandeln von Tumoren?

    Die typischen Mutationen dienen uns als sogenannte Biomarker. Sie erlauben es uns, Medikamente zu entwickeln, die zielgerichtet (auch: personalisiert, individualisiert) wirken. Das heißt: Ihre Wirkung richtet sich nur gegen Krebszellen mit dem angepeilten Biomarker. Damit sind diese Medikamente vorteilhafter als eine Chemotherapie, die das nicht vermag. Sie belastet den Körper stärker.

    Kann jeder Tumor genomisch analysiert werden und welche Rückschlüsse lassen sich daraus ziehen?

    Jede Tumorzelle lässt sich genomisch sequenzieren. Und deshalb sollte das Verfahren Standard in der Diagnostik werden. Wir bekommen dank der Biomarker eindeutige Hinweise für die passende Therapie.

    Das beschleunigt die Entscheidungsfindung und sichert diese ab. Deshalb sollten Patienten sich auch nicht scheuen, die molekulare Diagnostik gleich zu Beginn der Behandlung einzufordern.

    Was hat sich in der Behandlung von Lungenkrebs in den letzten Jahren verändert?

    Wenn ein Lungenkrebs erstmals diagnostiziert wird, hat dieser bei drei Vierteln der Patienten bereits Tochtergeschwülste (Metastasen) gebildet. Die Aussichten waren früher entsprechend trüb: Die meisten Patienten lebten noch acht bis zehn Monate – auch weil die zumeist verordnete Chemotherapie sehr toxisch wirkte.

    Mit der genomischen Sequenzierung gelingt es uns inzwischen, Lungenkrebs zu differenzieren. Jeder zehnte Patient beispielsweise weist eine EGFR-Treibermutation auf, gegen die wir zielgerichtet vorgehen können. Mit dem Erfolg, dass die behandelten Patienten noch vier, sechs, ja sogar bis zu zehn Lebensjahre haben. Die molekulare Diagnostik und die daraus resultierende zielgerichtete Krebsbehandlung sowie neue Immuntherapien beschleunigten den Fortschritt der Lungenkrebsmedizin exponentiell.

    Aber: Unser Anspruch als Mediziner, das Beste für die Patienten zu tun, stellt uns zugleich vor eine große Herausforderung. Wir müssen das Mehr an Informationen verarbeiten, das uns unter anderem die molekularbiologische Diagnostik liefert. Um das zu bewältigen, braucht es eine neue Form der Zusammenarbeit: multidisziplinäre Teams aus Fachärzten und medizinischen Fachkräften. Und es braucht eine starke Einbindung der Patienten.

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