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    Tabus von Krebserkrankungen brechen

    Fotos: Henriette Schreibner

    Ich bin Nicole Kultau, mit 41 erhielt ich die Diagnose Brustkrebs. Auf meinem Blog prinzessin-uffm-bersch.de gebe ich Anregungen zur Krankheitsbewältigung und merke dabei regelmäßig, dass viele Themen während der Therapie unausgesprochen bleiben.

    Zehn Jahre ist deine Diagnose Brustkrebs nun schon her, schaffst du es mittlerweile, das Ganze mit Abstand zu betrachten?

    Vieles kann ich mittlerweile mit Abstand sehr reflektiert betrachten, aber dennoch ist die durchgestandene Erkrankung ein Teil meines Lebens. Das liegt auch darin begründet, dass ich bis heute mit den Spätfolgen zu leben habe und mir bewusst bin, dass meine Krebserkrankung genetisch bedingt war (BRCA2-positiv), und ich deshalb mehrmals im Jahr an entsprechenden Früherkennungsprogrammen teilnehme. Dennoch bin ich unglaublich dankbar, bis heute „gesund“ zu leben.

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    Heute engagierst du dich sehr stark für andere Betroffene und bist in der Community wahnsinnig aktiv, warum ist dir das so wichtig?

    In den Jahren seit meiner Diagnose sind alleine in Deutschland über 700.000 Frauen an Brustkrebs erkrankt. Hinter jeder Frau stehen Freunde und Familien. Das sind unzählige Einzelschicksale, die durch eine Diagnose geprägt wurden. Durch das Bloggen und mein Einbringen als Patientenvertreterin hat sich mir die Möglichkeit eröffnet, Wissen und Impulse über eine vielschichtige Erkrankung zu vermitteln und anderen eine Hand zur Selbsthilfe zu reichen. Ich vermittle Mut, Verantwortung für die eigene Gesundheit oder Krankengeschichte zu übernehmen. Zudem erzählen immer mehr Frauen öffentlich ihre Geschichte, vernetzen sich untereinander und tauschen sich über ein Thema aus, über das viele nur hinter vorgehaltener Hand sprechen: Krebs! Dabei wird jeder Zweite im Laufe seines Lebens an Krebs erkranken. Gemeinsam brechen wir ein Tabu unserer Zeit.

    Besonders Antihormontherapien bringen ja auch noch andere Nebenwirkungen neben dem Haarverlust aus der Strahlen- und Chemotherapie mit sich. Hat dich das Thema betroffen?

    Die letzte Regelblutung in meinem Leben hatte ich mit Vollendung der ersten Chemotherapie erlebt, die mich mit 41 Jahren von eben auf jetzt in die Wechseljahre versetzte. Ich weiß nur zu gut, wie sich ein Alltag gestaltet, wenn man sich als „junger Mensch“ im Körper einer 80-jährigen Frau gefangen fühlt, da jeder Schritt von Muskel- und Gelenkschmerzen begleitet wird. Die Psyche fährt ohnehin Achterbahn nach all dem Erlebten durch eine Krebserkrankung, und das setzt sich durch den Hormonentzug weiter fort. Dieser wirkt sich zudem auf die Haut, auch im empfindlichen Intimbereich, aus, die unglaublich trocken und spröde wird. Viele Frauen haben unter einer Antihormontherapie Schwierigkeiten, ihre Sexualität wie gewohnt auszuleben. Hier braucht es eine offene Kommunikation in der Partnerschaft, viel Vertrauen und Verständnis, um sich neu zu finden, und evtl. die Unterstützung durch einen gut informierten Arzt.

    Nahezu alle Betroffenen erleben Hitzewallungen und nicht wenige nehmen deutlich an Gewicht zu. Und dennoch habe ich diese körperlich anstrengende Zeit von bald acht Jahren durchgestanden, weil ich jede noch so kleine Möglichkeit nutzen wollte, um möglichst lange krebsfrei zu überleben.

    Was ich bis heute als Vorteil betrachte: Ich war mir über die Wirkungsweise der Behandlung bewusst und habe meinem Körper und meiner Seele zum Ausgleich viel Gutes gegönnt, um die Behandlungszeit bestmöglich durchzustehen.

    Was sind in deinen Augen die großen Tabuthemen, die die meisten der Frauen lieber allein mit sich herumtragen?

    Es gibt nicht das eine Tabuthema für eine an (Brust-)Krebs erkrankte Frau, weil die Folgen einfach zu vielschichtig sind. Für die eine wird es der Verlust ihrer Haare sein, weil durch ihn nach außen sichtbar wird, was andere nicht sehen sollen, für die nächste wird es das Thema Sexualität sein, der Verlust ihrer Brüste oder das Annehmen eines völlig veränderten Aussehens. Für einen erkrankten Mann wird unter Umständen die Erfahrung belastend sein, an einem „Frauenkrebs“ erkrankt zu sein.

    Viele der Betroffenen fühlen sich mit den physischen und psychischen Folgen ihrer Erkrankung alleingelassen. Nicht alle erhalten aus ihrem Umfeld die Unterstützung, die sie unter Umständen benötigen. So lernen sie aus den unterschiedlichsten Gründen, viele ihrer Ängste alleine mit sich auszumachen. Weniger weil es ein Tabu ist, über diese zu sprechen, sondern weil der Gesprächspartner zum Beispiel erwartet, dass ein Krebspatient mit Abschluss seiner Behandlung an sein altes Leben anzuknüpfen hat und endlich gut ist. Aber das ist es oft nicht. Je schwerwiegender eine Erkrankung verläuft, umso prägnanter zeigt sich dies.

    Wodurch sollte man Krebspatient(inn)en deiner Meinung nach so früh wie möglich und viel häufiger unterstützen?

    Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, dass es für Patient(inn)en nach der Diagnose mehr übergreifende Unterstützungsangebote gibt, auch für ihre Angehörigen. Oft werden beispielsweise die Kinder von an Krebs erkrankten Eltern in ihren Bedürfnissen zu wenig berücksichtigt. Hier braucht es viel mehr Informationen und Hilfestellungen.

    Auch gefällt mir das Programm des isPO-Onkolotsen sehr gut, in dem Betroffene für Betroffene als Mutmacher fungieren. Denn wer kann besser nachempfinden, was wir gerade durchleben, als ein Betroffener selbst? Und nicht für jeden sind Selbsthilfegruppen die richtigen Anlaufstellen auf der Suche nach Hilfe zur Selbsthilfe.

    In unserer modernen Welt braucht es vielfältige Tools, die Patient(inn)en dazu befähigen, ihre Erkrankung zu verstehen und eine Basis an Grundwissen zu erwerben. Es geht um das nötige Selbstbewusstsein einer Frau, damit sie als mündige Patientin für sich einstehen kann.

    Sie möchten mehr über Nicole erfahren?

    Verfolgen Sie ihren inspirierenden Weg auf Instagram via @prinzessin_uffm_bersch


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