Dahinter steckt eine Entwicklung, die eigentlich positiv ist: „In den 1980er- und 1990er-Jahren war die Furcht sehr groß, sich bei einem Partnerwechsel mit dem HI-Virus anzustecken und an Aids zu sterben“, erläutert Dr. med. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte. „Deshalb wurde es selbstverständlich, bei jedem neuen Partner und bei jedem Partnerwechsel Kondome zu verwenden und sie erst nach einem späteren HIV-Test wegzulassen. Auch für junge Leute gehörte seitdem das Kondom bereits beim ersten Sex dazu. In der Folge gingen die Infektionszahlen sämtlicher sexuell übertragbarer Krankheiten deutlich zurück.“
Inzwischen ist die medikamentöse Behandlung von HIV-Infektionen so erfolgreich, dass die Erkrankung ihren Schrecken verloren hat. Bei jedem Partnerwechsel über mehrere Wochen ein Kondom zu verwenden und auch dann darauf zu bestehen, wenn man sich über die dauerhafte Monogamie des Partners oder der Partnerin nicht im Klaren ist, das halten viele Frauen, aber auch viele Männer nicht mehr für notwendig oder auch für zu unbequem.
Die HIV-Infektion ist unbehandelt nach wie vor eine tödliche Krankheit.
„Die Untersuchungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) belegen, dass zwar Jugendliche nach wie vor das Kondom sehr regelmäßig verwenden. Aber ab dem jungen Erwachsenenalter sehen wir bereits seit einigen Jahren eine größere Sorglosigkeit, und zwar nicht nur sich selbst gegenüber, sondern auch gegenüber anderen, neuen Partnern.“ Der Effekt ist, dass Neuinfektionen mit Syphilis stetig zunehmen, und auch die Infektionen mit Gonorrhoe und Chlamydien scheinen deutlich häufiger zu werden. Jedenfalls weisen die Zahlen aus Sachsen darauf hin, dem einzigen Bundesland, in dem diese sexuell übertragbaren Krankheiten derzeit meldepflichtig sind.
„Die HIV-Infektion ist unbehandelt nach wie vor eine tödliche Krankheit. Eine Syphilis wird zwar meist spätestens im Stadium II erkannt, wenn Allgemeinsymptome auftreten. Aber sie ist eine äußerst unangenehme Erkrankung, und zudem gibt es erste Meldungen, dass man bald Keime fürchten muss, die gegen sämtliche Antibiotika resistent sind. Gonorrhoe verursacht sehr schmerzhafte, oft eitrige Entzündungen, und Chlamydieninfektionen – häufig ohne Symptome – sind die häufigste Ursache für Unfruchtbarkeit“, fügt Albring hinzu. „Deshalb sollten natürlich auch Frauen, die eine hormonelle Verhütungsmethode oder eine Kupferspirale verwenden, bei jedem Partnerwechsel auf ein Kondom bestehen und sich auch bei analem oder oralem Sex ausreichend schützen.“