Oftmals als genetisch bedingte COPD bezeichnet, ist der AAT-Mangel eine Stoffwechselerkrankung, die weltweit zu den häufigsten Erbkrankheiten zählt. Experten schätzen, dass etwa jeder 20. Mensch den Gendefekt in sich trägt.
Marion Wilkens
Vorsitzende der Gesellschaft für Alpha-1-Antitrypsin-Mangel Erkrankte e.V.
Foto: Henry Wilkens
Es ist an der Zeit, die medizinische Klassifizierung von COPD zu überdenken und die genetischen Komponenten stärker in den Fokus zu rücken. So könnte die Diagnoserate verbessert und die Therapie optimiert werden.
Ursachen und Symptome des AAT-Mangels
In Deutschland sind etwa 20.000 Menschen von einem schweren AAT-Mangel betroffen, doch nur etwa zehn Prozent sind diagnostiziert. Es braucht Ärzte, die an den Test auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel denken, für den es nur wenige Blutstropfen braucht, und COPD-Patienten, die ihren Arzt nach ihrem Alpha-1-Serum-Spiegel fragen, um die genetische Komponente auszuschließen.
Beim AAT-Mangel handelt es sich um eine Mutation, die dazu führt, dass das Schutzeiweiß Alpha-1-Antitrypsin in der Leber falsch gebildet wird. Dies führt zu einer Anhäufung in der Leber und einem Mangel im Blut. In der Leber kann dies langfristig zu schwerwiegenden Schäden, einschließlich Leberzirrhose, führen. In der Lunge macht es die Organe anfällig für weitreichende Schädigungen und verursacht ähnliche Symptome wie COPD, zum Beispiel Atemnot, Husten und Auswurf. Das Krankheitsbild des AAT-Mangels ist vielfältig und kann im Gegensatz zur COPD bereits im Säuglingsalter durch auffällige Leberwerte und vergrößerte Organe auftreten. Lange Zeit galt COPD als eine selbstverschuldete Rauchererkrankung, doch heute wissen wir, dass es auch genetische Ursachen geben kann, was zu einer Entstigmatisierung führt. Daher wird empfohlen, dass jeder COPD-Patient sich einmal im Leben auf Alpha-1-Antitrypsin-Mangel testen lässt.
Therapeutische Möglichkeiten zur Linderung der Beschwerden
Der Weg zur Diagnose eines AAT-Mangels kann zwischen fünf und sieben Jahren dauern. Dies liegt unter anderem daran, dass Alpha-1 noch immer als seltene Erkrankung gilt und Ärzte oft nicht an diese Diagnose denken. Das Fehlen von Leitlinien für die Behandlung von AAT-Mangel in Deutschland erschwert die Situation zusätzlich. Als Gendefekt ist die Erkrankung bis heute nicht heilbar, es stehen aber verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Neben bronchienerweiternden Mitteln kann auch eine Substitutionstherapie helfen, bei der die Patienten das fehlende Alpha-1-Antitrypsin per Infusion erhalten. Für die Behandlung der Leber stehen seit kurzem erste experimentelle Medikamente zur Verfügung.
Die Ähnlichkeiten zur COPD bieten sowohl Vor- als auch Nachteile: Einerseits profitieren Alpha-1-Patienten von bestehenden COPD-Behandlungen wie Lungensport, Atemphysiotherapie und Inhalationsmedikamenten. Andererseits bleibt die spezifische Therapie oft aus, wenn die Erkrankung nicht richtig diagnostiziert wird.
Aufmerksamkeit schaffen, um Diagnosewege zu verkürzen und die Lebensqualität Betroffener zu verbessern
Experten und Alpha1 Deutschland e. V. setzen sich daher dafür ein, den Gendefekt bekannter zu machen. Ein frühzeitiger Test kann entscheidend für die richtige Behandlung sein und die Lebensqualität der Betroffenen deutlich verbessern. Es ist an der Zeit, die medizinische Klassifizierung von COPD zu überdenken und die genetischen Komponenten stärker in den Fokus zu rücken. So könnte die Diagnoserate verbessert und die Therapie (u. a. durch neue Therapieansätze) optimiert werden.
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