Eva Leroy und Julia Hoefer erzählen offen und bewegend im Interview von ihrer Diagnose „Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium“, wie wichtig ihnen der persönliche Austausch ist, und wie die Idee zum gemeinsamen Bilderbuch-Projekt für Familien entstanden ist.
Wann habt ihr die Diagnose „Lungenkrebs“ erhalten?
Eva: Mir wurde im März 2019 gesagt, dass ich nicht mehr lange zu leben hätte, wenn die Mutationsanalyse kein Ergebnis bringt. Es war eine befremdliche, schockierende Situation: Ich stand da auf zwei Beinen im Krankenhaus, aber hörte, dass ich im schlimmsten Fall nicht mehr lange zu leben habe. Ich konnte nur abwarten, ob bei der Tumoranalyse eine Mutation festgestellt wird, denn in dem Fall gibt es zielgerichtete Therapien. Die Gewebeanalyse hat dann eine Mutation ergeben, und mir wurde gesagt, dass diese Diagnose mir ein Plus an Lebenszeit verschaffen wird.
Julia: Ich habe die Diagnose 2016 bekommen. Ich war zu Beginn total geschockt, da ich damit nicht gerechnet hatte. Auf Röntgenbildern war zwar schon vorher der berühmte Schatten auf der Lunge zu sehen, aber meine Ärzte sagten, dass es auf keinen Fall Lungenkrebs sein könne, ich wäre dafür noch viel zu jung. Die Diagnose “metastasierter Lungenkrebs im Endstadium“ hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Mein Arzt gab mir noch sechs Monate, bestenfalls ein Jahr und meinte: „Diesen Kampf werden Sie leider nicht gewinnen.“ Auch bei mir wurde die Mutationsanalyse durchgeführt, was damals ein Novum war. Und auch bei mir lag eine Mutation vor und neue, zielgerichtete Therapien konnten zum Einsatz kommen, die die Aussicht auf ein deutlich längeres Überleben boten. Durch die Therapie hat man auch eine wesentlich höhere Lebensqualität als z. B. bei einer Chemotherapie, aber Nebenwirkungen haben die Medikamente natürlich trotzdem.
Wie habt ihr euch kennengelernt und was schätzt ihr an eurer Verbindung besonders?
Julia: Es gibt vom Verein Zielgenau verschiedene Facebook-Gruppen für die spezifischen Mutationen. Dort haben wir uns kennengelernt. Mir war es sehr wichtig, persönliche Kontakte zu anderen Patienten aufzubauen. Denn so viele sind wir in Summe nicht, besonders nicht wir jungen Patienten. Eva kommt aus Krefeld, wohnt also direkt um die Ecke. Und da haben wir beschlossen, uns zu treffen.
Eva: Uns hat dieser direkte und persönliche Austausch sehr geholfen. Man motiviert sich gegenseitig, macht sich Mut und ist nicht auf sich allein gestellt mit den ganzen Infos über diese doch recht seltene Erkrankung.
Julia: Es ist eine merkwürdige Lebenssituation: Wir sind beide Palliativpatientinnen mit einer Krebserkrankung im letzten Stadium. Und trotzdem leben wir ein fast normales Leben. Wir gehen einkaufen, kochen, kümmern uns um den Haushalt, bezahlen Rechnungen. Das ist ein schwer fassbares Lebenskonstrukt. Da braucht man jemanden, der das wirklich nachvollziehen kann und in der gleichen Lebenssituation ist.
Ihr habt gemeinsam ein Kinderbuch geschrieben und illustriert. Wie ist die Idee dazu entstanden?
Eva: Ich habe selbst zwei Kinder und habe mir Gedanken gemacht, wie man mit der Erkrankung als Familie zurechtkommt. Wir haben schon im Krankenhaus entschieden, damit sehr offen, aber eben auch kindgerecht umzugehen. Julia und ich haben dann weitere Betroffene kennengelernt, die Kinder haben. So kam die Idee, das in einem Buch zu verarbeiten. Ich male sehr gern, Julia hat über ihren Online-Kanal sehr offen und einfühlsam über das Leben mit Lungenkrebs geschrieben. Das haben wir zusammengebracht, und so ist das Buch entstanden.
Julia: Ich habe zwar keine Kinder, aber für meine Familie war die Diagnose natürlich auch ein großer Schock. Durch den Kontakt mit anderen betroffenen Familien haben wir uns die Frage gestellt, wie man das thematisieren kann und was man insbesondere Kindern überhaupt zumuten kann. Es gibt natürlich kein Patentrezept, aber das Buch kann eine Anregung sein, wie das Unaussprechliche gesagt werden kann.
Hat sich der Umgang mit der Erkrankung im Laufe der Zeit geändert?
Julia: Absolut. Es ist ein Prozess, und der Umgang mit der Erkrankung ändert sich immer wieder. Mit der Zeit findet man einen Weg: Man beschäftigt sich mit der Erkrankung, tauscht sich aus und lernt, sich mit den Fakten zu konfrontieren.
Eva: Man hat schon viel auf den Schultern zu tragen. Gleichzeitig entwickelt man sich dabei auch weiter. Man bekommt einen vollkommen anderen Blick auf das Leben, auf die Qualität dessen, auf den Tod. Und man nimmt sehr viel intensiver wahr, was im Leben wirklich wichtig ist. Es ist natürlich traurig und schwer, sich permanent mit der Erkrankung auseinandersetzen zu müssen: um informiert zu bleiben und sich für den nächsten Behandlungsschritt zu wappnen. Aber man lebt auch mit sehr viel Hoffnung, zum Beispiel auf neuere und noch besser wirksame Therapien.
Was möchtet ihr anderen Betroffenen mitgeben?
Julia: Ich würde immer dazu raten, sich nicht zu isolieren und Kontakt zu suchen: zu anderen Betroffenen, zu Spezialisten, zum persönlichen Umfeld. Denn nur so kann man die Erfahrung machen, dass auch das Leben mit Lungenkrebs ein lebenswertes Leben ist.
Eva: Jeder Mensch geht mit solchen schweren Erkrankungen anders um. Deswegen würde ich auch immer empfehlen, sich psychologische Hilfe zu suchen, die einem enorm dabei helfen kann, sich in diesem neuen Alltag zurechtzufinden. Jeder Patient hat darauf einen Anspruch.
Weitere Informationen:
Betroffene und Angehörige aus Krefeld und Umgebung können sich an das Lungenkrebs Netzwerk Krefeld per Mail an Eva Leroy ([email protected]) wenden;
Betroffene aus Düsseldorf und Umgebung an Julia Hoefer, die die Selbsthilfegruppe www.lungenkrebs-duesseldorf.de betreut.
Der Bundesverband Selbsthilfe Lungenkrebs e. V. unterstützt überregional die Interessen und den Aufbau der Selbsthilfegruppen.
Über www.wunderbuch.eu kann das Buch bestellt und / oder für das Projekt gespendet werden. Die Spenden sind wichtig, um es weiter kostenlos zur Verfügung stellen zu können.