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    COPD: Digitale Anwendungen können bei der Therapie helfen

    FOTO: TELEMENTOR

    In Deutschland sind Schätzungen zufolge zehn bis zwölf Prozent der Menschen über 40 Jahren von einer COPD betroffen. Sie gilt daher auch gemeinhin als eine Volkskrankheit. Im Interview informiert Dr. Henrik Watz über die Erkrankung und neue Ansätze in der Therapie.

    Die Aufklärung und das Wissen um die COPD ist noch gering. Können Sie sich erklären, warum das so ist?

    Zunächst einmal kann man schon sagen, dass das Wissen um diese Erkrankung etwas besser geworden ist in den letzten Jahren. Hier haben Patientenorganisationen und Fachgesellschaften viel bewirkt. Dennoch bleibt beim Thema COPD noch sehr viel Aufklärungsarbeit zu leisten. Vergleicht man das Wissen um die Gefährlichkeit der COPD mit dem Wissen und der Angst vor Lungenkrebs oder Herzinfarkt aufgrund des Rauchens, so besteht hier in der Tat noch deutlich Nachholbedarf. Dies hat auch damit zu tun, dass die COPD sich schleichend ab dem mittleren Alter entwickelt, und viele der Beschwerden von den Betroffenen anfangs als normaler Raucherhusten und Trainingsmangel abgetan werden.

    Was sind die klassischen Symptome einer COPD?

    Das ist die klassische Konstellation aus Husten, Auswurf und Luftnot bei körperlicher Belastung im Alltag. Dies alles stellt sich schleichend ein und wird häufig durch Erkältungskrankheiten verstärkt. Anfangs suchen die Patienten ihre Hausärztin oder den Hausarzt gerade in den Wintermonaten wegen langwieriger Erkältungsinfekte auf, brauchen häufig Antibiotika und erst nach längerer Erkrankung wird deutlich, dass auch mehr dahinterstecken könnte.

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    Welche Therapiemöglichkeiten stehen den Betroffenen aktuell zur Verfügung?

    Die erste Maßnahme muss der Rauchstopp sein, sofort und unverzüglich. Dies fällt den Betroffenen oft unheimlich schwer, die Nikotinabhängigkeit ist eine Suchterkrankung. Hier gibt es mittlerweile aber viele Hilfsangebote für die Patienten: zum Beispiel unter www.rauchfrei-info.de, ein Angebot der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

    Inhalierbare, bronchienerweiternde Medikamente helfen die Belastungsluftnot zu lindern. Sie werden bei einigen Patienten um inhalierbares Kortison ergänzt, wenn die Patienten fortgesetzt Verschlechterungsereignisse, sogenannte Exazerbationen, haben. Ganz wichtig ist, dass die Patienten neben dem Rauchstopp auch wieder körperlich aktiver werden. Hier helfen die Reha-Angebote und regionale Lungensportgruppen. Die Alltagsaktivität wie regelmäßiges Spazierengehen ist ebenfalls unerläßlich, um die leider oft beobachtete Abwärtsspirale der Erkrankung aufzuhalten.

    Das Ziel der Therapie ist das Fortschreiten der Erkrankung zu stoppen. Wie können digitale Anwendungen dabei helfen?

    Rauchstopp und regelmäßige körperliche Aktivität sind die zwei entscheidenden Stellschrauben, um das Fortschreiten der Erkrankung abzumildern oder gar zu stoppen. In den letzten Jahren sind für Patienten Apps entwickelt worden, die die Tabakentwöhnung unterstützen und gezielt Lungensport auch für Patienten mit Luftnot möglich machen. Diese Apps kann man mittlerweile auf Rezept verordnen.

    Wir haben zudem an der LungenClinic Grosshansdorf ein neues digitales Konzept erarbeitet, dass die sich bietenden technischen Chancen ergreift, um die Behandlung von Patienten mit schwerer COPD und häufigen Krankenhauseinweisungen besser zu machen. Wir haben diesem neuen Programm den Namen TELEMENTOR COPD gegeben. In diesem Programm nutzen wir die Smartphones der Patienten, statten sie zusätzlich mit einer Smartwatch und einem kleinen Lungenfunktionsmessgerät aus, die die tägliche Sauerstoffsättigung, Herz- und Atemfrequenz sowie Lungenfunktion der Patienten nach der Entlassung zu Hause aufzeichnen. Über die TELEMENTOR-App auf dem Smartphone der Patienten werden diese Vitalfunktionen an die behandelnden Lungenfachärzte weitergeleitet. Beginnende Verschlechterungen der Erkrankung können so frühzeitig erkannt und die Patienten per Videosprechstunde über die TELEMENTOR-App kontaktiert werden. Damit bietet sich die Möglichkeit, die Therapie der Patienten ambulant frühzeitig anzupassen, um zu verhindern, dass die Patienten sich wieder akut so stark verschlechtern, dass eine erneute Krankenhauseinweisung notwendig wird.

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    Neben dieser Überwachungs-Kontaktfunktion haben wir die TELEMENTOR-App um vielfältige digitale Informationsportale zur Erkrankung, der richtigen Anwendung von Inhalatoren, Raucherentwöhnung und ambulante Lungensport-App erweitert, damit den Patienten auf freiwilliger Basis der volle Umfang der derzeitigen digitalen Angebote zugutekommt.

    Welche Vorteile bieten digitale Therapiemöglichkeiten gegenüber herkömmlichen Behandlungsmethoden?

    Die Patienten fühlen sich sicherer und die Ärzte können frühzeitig den Patienten bei sich abzeichnender Verschlechterung helfen. Früher mussten die Patienten für all diese Messungen in die Praxis kommen, häufig war dies zu spät und sie haben dann doch den Notarzt rufen müssen, der sie in die Klinik einweisen musste. Zudem ist im ländlichen Raum der Weg zu den Ärzten sehr weit. Diese Erfahrung machen wir nicht nur in Schleswig-Holstein. Echtzeitübermittlung von wichtigen Vitalfunktionen helfen, lange Wege zu vermeiden und personelle Ressourcen zu schonen.

    Gibt es dazu schon erste Ergebnisse oder ein erstes Resümee?

    Wir führen derzeit die wissenschaftliche Studie zu unserem TELEMENTOR-Programm durch. Dazu haben wir uns mit pneumologischen Fachabteilungen anderer Kliniken in SchleswigHolstein und Hamburg sowie den ambulant tätigen Lungenfachärzten zusammengetan und vernetzt, um das TELEMENTOR-Programm wissenschaftlich fundiert zum Erfolg zu führen. Die Akzeptanz und Bereitschaft zur Teilnahme bei den Patienten ist groß. Wir haben bereits über 100 Patienten in das Programm aufnehmen können und rekrutieren bis Ende 2023 aus Hamburg und Schleswig-Holstein weitere Patienten. Wir hoffen Ende 2024 die ersten Ergebnisse präsentieren zu können.

    Weitere Informationen finden Sie auf der Studienwebsite

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