Michelle Schindlmeier im Interview.
Du leidest seit deiner Kindheit an einer unbekannten Lungenkrankheit. Bitte gib uns einen Einblick in den Krankheitsverlauf.
Ich war ein kerngesundes Baby. Im Kleinkindalter hatte ich ganz viele grippale Infekte, hier mal eine Lungenentzündung, da mal eine Bronchitis. Zudem hatte ich mit starken Allergien zu kämpfen und ab meinem dritten Lebensjahr kam auch noch eine starke Neurodermitis dazu.
Wie sind die Erinnerungen an deine Kindheit und Jugend?
Ich hatte eigentlich eine ganz normale Kindheit, außer dass ich häufiger krank war als andere und schneller außer Puste war. Als ich zwölf Jahre alt war, sagte mir ein Lungenfacharzt, dass ich eine Lungenfunktion einer Sechsjährigen habe. Der Verlauf wurde immer schlechter, sodass meine Lungenfunktion während der Ausbildung auf 30 Prozent sank. Seit 2017 brauche ich rund um die Uhr Sauerstoff, meine Lungenfunktion beträgt noch 20 Prozent. Seitdem hat es sich aber zum Glück nicht weiter verschlechtert.
Was bedeutet ein Lungenvolumen von 20 Prozent für deinen Alltag?
Ich kann gar keine Treppen mehr steigen. Mein Mann trägt mich immer die Treppen hoch, wenn es keine andere Option gibt. Wenn wir spazieren gehen, bin ich eigentlich die ganze Zeit im Rollstuhl und stehe nur bei geraden Strecken mal auf, um ein paar Meter zu gehen.
Wie schaffst du es, mit deinem Schicksal umzugehen?
In meiner Teenagerzeit hatte ich sehr damit zu kämpfen. Andere sind in Klubs gegangen, sind gereist und haben einfach unbefangen das Leben genossen, während ich zu Hause war und nichts mit mir anzufangen wusste. Um zu lernen, damit umzugehen, bin ich zu einer Psychotherapeutin gegangen, was mir sehr geholfen hat und nach wie vor hilft, mich mit meinem Schicksal zu arrangieren. Auch mein heutiger Partner hat mir sehr geholfen, da er seine Partyzeit schon hinter sich hatte und es ihn nicht gestört hat, mit mir zu Hause zu bleiben.
Wie geht dein Partner mit deiner Erkrankung um?
Er wusste das von Anfang an. Damals, vor neun Jahren, war es zwar noch besser als heute, doch er war immer an meiner Seite, wenn ich einen Rückfall hatte, im Krankenhaus auf der Intensivstation lag. Das hat ihn nicht abgeschreckt, was bei vermeintlichen Freunden schon so war. Viele konnten damit nicht umgehen. Er schon. Dafür bin ich sehr, sehr dankbar.
Dein täglicher Begleiter ist dein Sauerstoffgerät. Manche Betroffene geben ihren Medizinprodukten, die sie ständig begleiten, einen Namen. Wie ist das bei dir?
Mein Sauerstoffgerät hat keinen Namen, aber mein Port. Er heißt Piggy (lacht).
Wie kamst du auf den Namen?
Wenn ich meine Antibiotikainfusion bekomme, muss man den Port anstechen. Und dieser Schlauch, der dann dort dranhängt, heißt pig tail, also Schweineschwanz. Die Ärztin meinte dann zu mir, dass ich den Schweineschwanz halten soll. Das fand ich lustig. Seitdem heißt er nun Piggy.
Deine Krankheit gibt auch Ärzten Rätsel auf. Gehst du regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen? Wie sehen diese aus?
Ich gehe alle vier bis sechs Wochen in eine Lungenfachklinik. Dort wird ein Lungenfunktionstest gemacht, Blut abgenommen und es findet ein langes Arztgespräch statt. Das finde ich sehr wichtig. Denn manchmal sind die Werte anders als mein Befinden. Durch die Gespräche fühle ich mich gut versorgt.
Für deinen Arzt muss es doch frustrierend sein, dass er zwar sieht, dass du krank bist, dir aber nicht wirklich helfen und die Krankheit nicht benennen kann.
Ist es auch. Bei Ärztekongressen ist meine Krankheit auch immer wieder Thema, um zu schauen, was „hinter dem Ganzen“ steckt. Bisher immer ohne Erfolg.
Gibt es denn einen Verdacht, was es sein könnte?
Bei mir wurden Bronchiektasen festgestellt, das sind Vernarbungen in der Lunge. Die haben eigentlich einen Auslöser. Bei der Mukoviszidose ist es der Gendefekt. Den gibt es bei mir aber nicht. Die Bronchiektasen sind einfach da und keiner weiß, warum.
Bei der Mukoviszidose hilft inhalieren. Gibt es neben deinem Sauerstoffgerät noch andere Hilfsmittel oder Therapien, die dir helfen?
Ich inhaliere auch zwei bis dreimal am Tag mit Feuchtinhalation. Dann habe ich ein Spray, das ich regelmäßig nehmen muss, und alle drei bis vier Monate die Antibiotikatherapie. Zudem mache ich zweimal pro Woche eine Atemtherapie, was mir sehr hilft.
Hast du Angst, dass es schlimmer wird?
Angst habe ich nicht mehr. Früher hatte ich das sehr. Ich hatte Angst zu schlafen, weil ich dachte, dass ich nachts ersticke. Durch die Therapie habe ich das im Griff. Ich bin mit meinem Arzt sehr glücklich, weil ich auch durch ihn seit drei Jahren stabil bin. Natürlich hoffe ich sehr, dass meine Lunge auch weiterhin stabil bleibt und ich mein Leben, auch wenn es vielleicht nicht perfekt ist, genießen kann.
Auf deinem Instagram-Account verbreitest du Hoffnung und Optimismus – trotz deiner Krankheit. Warum gehst du mit deiner Erkrankung an die Öffentlichkeit?
Damals habe ich mich nicht getraut, mich mit Nasenbrille oder Rollstuhl zu zeigen. Durch Instagram und all die positiven und aufmunternden Reaktionen fühle ich mich stärker. Zudem zeige ich anderen, ebenfalls kranken Menschen, dass sie sich nicht verstecken müssen. Es gibt mir Kraft und ich mache anderen Mut, aus diesem Grund mache ich das.
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