Lungenkarzinome gehören mit rund 57.500 Neuerkrankungen jährlich zu den häufigsten und gleichzeitig zu den prognostisch eher ungünstigen Krebserkrankungen – doch es gibt zunehmend bessere Behandlungsoptionen. Wir sprachen mit Prof. Dr. Martin Reck von der LungenClinic Grosshansdorf über neue, zielgerichtete Therapien, die darauf abzielen, das Tumorwachstum zu hemmen, und neue Hoffnungen wecken.
Prof. Dr. Martin Reck
Chefarzt des Onkologischen Schwerpunktes an der LungenClinic Grosshansdorf
Foto: LungenClinic Grosshansdorf
Neben Operation, Chemo- und Strahlentherapie gibt es zur Behandlung eines Lungenkarzinoms mittlerweile auch die Option zielgerichteter und immunonkologischer Therapien. Welche Vorteile zeigen zielgerichtete Therapien?
Zielgerichtete Therapien sind in aller Regel äußerst effektiv, weil sie konzentriert auf individuelle genetische Veränderungen am Tumor wirken. Durch sie haben wir die Möglichkeit, die Erkrankung zurückzudrängen und zu stabilisieren, manchmal über Jahre, was den Patienten Lebenszeit schenkt. Und das meist auch in guter Lebensqualität, denn diese neuen Medikamente sind meistens gut verträglich.
Den zielgerichteten Therapien muss eine genaue Analyse des Tumors vorausgehen. Was ist dazu nötig?
Wir müssen innerhalb der Erkrankung verschiedene Unterformen des Lungenkarzinoms unterscheiden. Hinzu kommen Testungen auf eine behandelbare genetische Veränderung, die in der Regel einige Tage dauert. Zusätzlich wird auch das Gewebe untersucht, um zu klären, inwieweit der Tumor auf eine Immuntherapie reagieren würde.
Wenn Genmutationen vorliegen, welche Rückschlüsse lassen sich daraus für die Behandlung ziehen?
Wenn eine behandelbare genetische Veränderung vorliegt, bieten wir den Patienten schnellstmöglich eine zielgerichtete Therapie an. Die Wirksamkeit dieser Behandlung ist am größten, je früher sie zum Einsatz kommt.
Welche Genmutationen sind bisher bekannt?
Eine der wichtigsten ist die sogenannte EGFR-Mutation, die wir bei etwa zehn bis 15 Prozent unserer Patienten finden. Bestimmte Tyrosinkinase-Inhibitoren, die auf diesen Rezeptor abzielen, sind sehr wirksam. Eine weitere ist die ALK-Translokation, für die ebenfalls verschiedene Medikamente zur Verfügung stehen. Seltener sind die ROS1-Translokation oder auch die BRAF-Mutation, die wir auch vom schwarzen Hautkrebs oder Darmkrebs kennen. Eine Unterform dieser Mutation lässt sich gut mit einer Kombination aus zwei zielgerichteten Therapien behandeln. Auch die HER2-Mutation sehen wir; sie kommt beim Lungenkarzinom jedoch deutlich seltener vor als bei Brustkrebs. Aber auch hier haben wir die Möglichkeit, gezielte Behandlungen durchzuführen.
Die KRAS-Mutation finden wir relativ häufig bei Darmkrebs und bei etwa 25 Prozent der Patienten mit Lungenkrebs. Diese Mutation war lange Zeit schwer zu behandeln, da das betroffene Protein sehr komplex ist. Doch nun haben wir eine Untergruppe identifiziert, die KRAS-G12C-Mutation, die gezielt behandelt werden kann.
Was erhoffen Sie sich für die Zukunft in der Behandlung des Lungenkarzinoms?
Mein Wunsch ist, dass wir unsere Patienten noch individueller behandeln können. Wir erleben, dass das traditionelle Schubladendenken zwischen Onkologie, Chirurgie und Strahlentherapie veraltet ist. Heute arbeiten wir eng zusammen, besprechen Fälle in gemeinsamen Tumorboards und haben die Möglichkeit, verschiedene Therapieformen zu kombinieren. Das ist besonders wertvoll, da unsere Patienten mittlerweile länger leben und länger in Behandlung sind.
Ich hoffe, dass wir das Lungenkarzinom in Zukunft immer mehr in eine chronische Erkrankung verwandeln können. Wir werden zwar weiterhin Patienten haben, die in einem fortgeschrittenen Stadium diagnostiziert werden, aber ich denke, wir können es schaffen, die Krankheit über immer längere Zeiträume zu stabilisieren.