Kurt Krömer ist einer der bekanntesten und beliebtesten Comedians in Deutschland. Und er litt viele Jahre unter einer Depression, die am Tiefpunkt sein komplettes Leben lahmgelegt hat. In seinem Buch „Du darfst nicht alles glauben, was du denkst“ erzählt er von seinem Weg heraus aus der Krankheit. Warum er diesen öffentlichen Weg gewählt hat und warum viel mehr Menschen über ihren seelischen Zustand reden sollten, erzählt er uns im Interview.
„Eigentlich dachte ich vor zwölf Jahren, dass ich über den Berg bin, als ich aufgehört habe, Alkohol zu trinken. Der schwarze Hund war aber immer noch da.“
– Kurt Krömer, Comedian
Herr Krömer, als Comedian sind Sie Vollprofi und haben immer einen flotten Spruch auf den Lippen. In Ihrem Buch sprechen Sie ganz offen über Ihre Depression und den Umgang mit Ihrer Erkrankung. Warum war das für Sie so wichtig?
Ich wollte das einfach nicht mehr mit mir rumtragen und mich verstecken. Deswegen habe ich mich entschlossen, Klartext zu reden. Durch das Buch ist die Katze aus dem Sack und gleichzeitig das Problem aus meinem Kopf. Ich muss mir keine Ausreden mehr einfallen lassen und Geschichten erfinden, damit das auch ja keiner mitbekommt. Außerdem müssen es die Leute auf den Schirm bekommen, dass eine Depression eine Krankheit ist und kein Grund, sich zu verstecken.
Rückblickend betrachtet: Wie haben Sie den Spagat zwischen Depression im Privaten und dem immer funktionierenden Komiker auf der Bühne empfunden?
Ich wusste es lange Zeit gar nicht. Rückblickend habe ich 30 Jahre mit einer Depression gelebt, aber die Diagnose wurde erst ein halbes Jahr vor meinem Klinikaufenthalt gestellt. Eigentlich dachte ich vor zwölf Jahren, dass ich über den Berg bin, als ich aufgehört habe, Alkohol zu trinken. Der schwarze Hund war aber immer noch da. Klar, ich war immer wieder bei verschiedenen Ärzten, aber mir wurde immer gesagt, dass das einfach der Stress sei. Insofern kann ich nur über das halbe Jahr vor der Klinik sprechen. Ich hatte in der Zeit noch vier Auftritte, bei denen ich wusste: Ich bin krank. Das war gruselig, weil ich da rückblickend erkannt habe, wie man sich selbst über Jahre bescheißen kann.
Wie haben Sie sich nach der Diagnose gefühlt?
Als ich zum Vorgespräch in der Klinik war, war ich vollkommen am Ende. Der Arzt hat dann einen Gesprächstest mit mir durchgeführt, mit dem ein Arzt direkt feststellen kann, ob man eine Depression hat und wie schwer sie ausgeprägt ist. Als er dann sagte, dass ich eine schwere Depression habe, bin ich erst mal zusammengebrochen. Ich habe laut geschrien und geweint, aber ich war glücklich, dass das Kind endlich einen Namen hat. Klar, die Diagnose ist nicht schön, aber ich wusste, dass mir jetzt geholfen werden kann.
Denken Sie, dass es Männern schwererfällt, sich mit einer solchen Diagnose auseinanderzusetzen?
Ja, auf jeden Fall. Allein wenn man an das Thema Darmkrebsvorsorge oder an den Check beim Urologen denkt, sind Männer viel zu inaktiv. Ich denke, Männer tendieren dazu, vieles mit sich selbst auszumachen. Sie reden zu wenig mit anderen, obwohl das ein ganz wichtiger Schritt wäre. Und auch wenn wir uns das nicht eingestehen wollen, spielt da unser veraltetes Männerbild sicher eine große Rolle, auch wenn wir mittlerweile anders darüber sprechen und uns wünschen, dass sich das verändert.
Wie haben Sie die Zeit in der Klinik empfunden?
Ich hatte eine wahnsinnige Angst davor. Für mich war deswegen die Tagesklinik die passende Lösung, weil ich dort morgens hingegangen bin und abends in meinem eigenen Bett schlafen konnte. Das hat mir das Gefühl gegeben, nicht vollkommen von der Außenwelt abgeschnitten zu sein und am „echten Leben“ teilhaben zu können. Was man in der Klinik aber erst mal lernen muss, ist, dass man dort kein Exot ist. Man denkt ja immer, man wäre der krasseste Fall, hätte die schlimmsten und abartigsten Gedanken. Dort zu merken, dass es allen so geht und dass man verstanden wird, war rückblickend eine echt tolle Erfahrung. Ich musste mich dort nicht erklären, wenn ich zum Beispiel einfach losgeweint habe. Weil jeder wusste: Der steckt jetzt in einem Schub und braucht die Zeit für sich.
Haben Sie Strategien, die Ihnen helfen, wenn Sie merken, dass es irgendwie zu viel wird?
Erst mal muss ich sagen, dass ich nach Aussage meiner Ärzte gut aus der Depression herausgefunden habe. Ich habe also keine Depression mehr. Der Unterschied ist, dass ich jetzt direkt weiß, wen ich anrufen kann und was zu tun ist, wenn ich merken sollte, dass es mir nicht gut geht. Aber damit beschäftige ich mich nicht aktiv, weil es mir gut geht und ich mich nicht in solchen Gedanken verlieren will. Und besonders als Mensch, der von einer Depression betroffen war, muss man eines ganz neu lernen: Manchmal hat man einfach nur einen Scheißtag, und am nächsten Morgen sieht die Welt schon wieder anders aus!
Was würden Sie Menschen ans Herz legen, denen es seelisch nicht gut geht, oder auch Menschen, die sich um Nahestehende sorgen?
Direkt zum Arzt zu gehen. Das muss auch nicht direkt ein Psychologe sein, schon der Hausarzt kann einschätzen, ob man eine Depression hat und wie schwer sie ausgeprägt ist. Man kann bei der Seelsorge anrufen oder sich bei der Deutschen Depressionshilfe informieren: Hier gibt es auf der Website auch einen Selbsttest, mit dem man abschätzen kann, ob man depressiv sein könnte. Menschen, die sich um jemanden sorgen, der ihnen nahesteht, sind natürlich genauso mitbetroffen wie der Erkrankte selbst. Aber auch sie können sich informieren und Hilfe anbieten, ein offenes Ohr kann da schon viel bewirken. Bleibt im Austausch, das ist das Allerwichtigste!
Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit die Versorgung von Menschen, die von einer Depression betroffen sind, sich verbessert?
Es muss in unserem Gesundheitssystem ankommen, dass es über fünf Millionen Betroffene in Deutschland gibt, die angemessen versorgt werden müssen, dass deren Versorgung immer individuell ist und dass das unsere Kassen nun mal eine ganze Menge Geld kostet, wenn man diesem Anspruch gerecht werden möchte und diesen Menschen helfen will. Ich bin privat versichert, dadurch ging es mit dem Platz in der Klinik sehr schnell. Das ist bei gesetzlich Versicherten oft anders, und das ist ein Problem. Daher muss man hier die Leute aktivieren, die erkrankt sind, damit sie auch einfordern, was ihnen an gesundheitlicher Versorgung zusteht. Denn wenn sich jemand ein Bein bricht, wird auch nicht infrage gestellt, dass er behandelt werden muss und dann acht Wochen Genesungszeit braucht. Das versteht dann auch jeder Arbeitgeber. Aber genau das sollte auch bei psychischen Erkrankungen normal sein. In dem Fall ist es dann eben ein Beinbruch im Kopf, der heilen muss.