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    Das Chamäleon der Medizin – Zöliakie: Viele Betroffene haben keine Diagnose

    Foto: shutterstock_2234747103

    Zöliakie ist eine Autoimmunerkrankung, die trotz ihrer Häufigkeit im öffentlichen Bewusstsein kaum eine Rolle spielt. Bisher geht man davon aus, dass jede*r 100. Deutsche betroffen ist. Das sind deutlich mehr als 800 000 Menschen. Jüngere Studien legen nahe, dass die Zahl sogar erheblich nach oben korrigiert werden muss. Einziger Therapieansatz ist nach wie vor eine lebenslang strikt glutenfreie Ernährung.

    Die Zöliakie beruht auf einer Unverträglichkeit gegenüber dem Klebereiweiß Gluten, das unter anderem in Weizen, Roggen, Dinkel und Gerste vorkommt. Gluten verursacht im Dünndarm Entzündungen. In der Folge bilden sich die Darmzotten zurück, die für die Nährstoffaufnahme zuständig sind. Das kann zu unterschiedlichen Mangelerscheinungen führen. Selbst die versehentliche Aufnahme allerkleinster Mengen an Gluten können Entzündungen und Beschwerden nach sich ziehen.

    Chamäleon der Medizin: Diese Bezeichnung rührt daher, dass die Symptome der Zöliakie einer großen Bandbreite unterliegen. „Klassiker“ sind Durchfall, Bauchschmerzen und Erbrechen. Es kann aber auch völlig anders gelagerte Hinweise auf eine Zöliakie geben: Müdigkeit, Depression und Schlaflosigkeit. Bei Kindern treten oft Eisenmangel, Wesensveränderungen und Wachstumsprobleme auf. Diese vielfältigen Merkmale (manche Betroffene haben gar keine Symptome) sind ein Grund dafür, dass eine Zöliakie oft unerkannt bleibt – mit häufig dramatischen Begleiterkrankungen und Spätfolgen wie Osteoporose, Unfruchtbarkeit und Krebs.

    Die Dunkelziffer ist enorm. Wissenschaftler*innen und Mediziner*innen gehen davon aus, dass ein erhebliches Missverhältnis zwischen diagnostizierten und nicht erkannten Fällen von Zöliakie besteht. Eine aktuelle Untersuchung aus Italien legt nahe, dass 60 Prozent der Betroffenen keine Ahnung von ihrer Zöliakie haben. Noch höher liegt der Anteil sogar, wenn man einer skandinavischen Studie mit etwa 13 000 Proband*innen folgt. Sie kommt zum Ergebnis, dass drei Viertel aller Betroffenen keine Diagnose haben, während die Krankheit fortschreitend ihren Darm schädigt. Eine medizinische Zeitbombe!

    Diagnostiziert wird eine Zöliakie anhand eines Bluttests in Kombination mit einer Dünndarmbiopsie. Der Bluttest auf die Antikörper gegen Transglutaminase und Endomysium kann den Verdacht erhärten. Die Absicherung der Diagnose erfolgt über die Biopsie.

    Zöliakiebetroffene begegnen im Alltag vielen Herausforderungen. Glutenfreie Lebensmittel sind grundsätzlich teurer als herkömmliche. Essen in der Gemeinschaftsverpflegung (Kita, Schule, Kantinen, Seniorenheime) ist oft nicht möglich. Gerade bei Kindern führt das häufig zu Ausgrenzungserfahrungen. Restaurantbesuche sind für Zölis, wie sich Betroffene selbst nennen, oft ein Risiko. Die Planung von Urlauben ist aufwendiger, wenn eine strikte glutenfreie Ernährung eingehalten werden muss. Sich anderen gegenüber immer wieder erklären zu müssen und mit der Krankheit nicht ernst genommen zu werden, empfinden viele Zöliakiepatienten als lästig.

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