OFF-Phasen – ein Thema, das die meisten Parkinson-Patienten vor allem im späteren Krankheitsverlauf betrifft. Worum es sich dabei handelt und welche Therapien zur Verfügung stehen, erfahren wir von Prof. Dr. med. Georg Ebersbach im Interview.
Prof. Dr. med. Georg Ebersbach
Chefarzt des Neurologischen Fachkrankenhauses für Bewegungsstörungen / Parkinson Beelitz-Heilstätten
Als neurodegenerative Erkrankung schreitet Parkinson immer weiter voran. Was passiert dabei im Körper?
Bei der Parkinson-Erkrankung kommt es zu einer Schädigung von Nervenzellen, wobei sowohl Störungen des Energiestoffwechsels als auch die Ablagerung schädlicher Eiweißpartikel in den Nervenzellen eine Rolle spielen. Man nimmt an, dass zuerst Nerven in Nase und Darm betroffen sind und es von dort zu einem über Jahre aufsteigenden Prozess kommt, bei dem auch die sogenannte schwarze Substanz im Mittelhirn in Mitleidenschaft gezogen wird. Diese Region ist eine wichtige Produktionsstätte für den Botenstoff Dopamin. Der bei Parkinson auftretende Dopaminmangel führt zu Bewegungsverarmung und Zittern, hat aber auch Auswirkungen auf das psychische Befinden und das vegetative Nervensystem.
Bei fortgeschrittenem Parkinson kommt es meist irgendwann zu sogenannten „OFF-Phasen“. Was versteht man darunter und wie äußern sich diese OFF-Phasen bei den Patienten?
Durch Medikamente kann der Ausfall des körpereigenen Dopamins im Gehirn teilweise kompensiert werden.
Eine wichtige Rolle spielt dabei der Wirkstoff Levodopa, der im Gehirn zu Dopamin umgewandelt wird. Während Levodopa in den ersten Krankheitsjahren oft sehr gleichmäßig wirkt, treten im späteren Verlauf meist Wirkungsschwankungen auf. Patienten geraten dadurch im Tagesverlauf immer wieder aus Zuständen mit guter Symptomkontrolle (ON-Phase) in Zustände mit deutlicher Zunahme der Symptome (OFF-Phasen). Dies kann dazu führen, dass mehrfach am Tag abrupte Wechsel zwischen normaler Beweglichkeit und schwerster Bewegungsstarre auftreten.
Gibt es typische Symptome, die eine OFF-Phase ankündigen?
Viele Betroffene entwickeln im Verlauf der Behandlung ein Gefühl für die Wirkungsschwankungen. OFF-Phasen werden dann schon bei den ersten Vorboten bemerkt, wie zum Beispiel Missempfindungen, Unwohlsein oder Stimmungstiefs.
Welche medikamentösen Therapien stehen dann zur Verfügung und worin unterscheiden sich diese?
Bei Wirkungsschwankungen kann die Wirkdauer von Levodopa durch Begleitmedikamente verlängert werden. Oft werden mehrere Substanzklassen kombiniert, um eine möglichst gleichmäßige Dopaminstimulation zu erreichen. In sehr schweren Fällen können auch die tiefe Hirnstimulation („Hirnschrittmacher“) oder Infusionspumpen eingesetzt werden, um Wirkungsschwankungen auszugleichen. Zusätzlich verwenden viele Patienten eine Bedarfsmedikation, mit der sie OFF-Zustände unterbrechen können. Hierzu zählen in Wasser gelöstes Levodopa oder die Injektion des Dopaminersatzstoffes Apomorphin. Seit letztem Jahr steht inhalierbares Levodopa als weitere Option zur Bedarfsmedikation bei OFF-Zuständen zur Verfügung. Da inhaliertes Levodopa direkt von der Lunge in den Blutkreislauf übertritt, lässt sich oft ein sehr rascher Eintritt der Wirkung erreichen.
Kann es bei der Anwendung von Bedarfsmedikation nicht zur Überdosierung/Fehlgebrauch kommen?
Ein suchtartiger Gebrauch von Bedarfsmedikation ist sehr selten und kann auftreten, wenn Patienten die Wirkung als euphorisierend erleben. Sehr viel häufiger passiert es, dass Patienten OFF-Zustände als extrem unangenehm erleben und sehr häufigen Gebrauch von Bedarfsmedikation machen, um das OFF zu vermeiden.
Wenn Patienten sehr häufig Bedarfsmedikation benötigen, sollte die Basismedikation angepasst werden.
Sie sind ein starker Befürworter von Bewegungstherapie bei Parkinson. Warum sind Sport und Bewegung so wichtig und was geben Sie Patienten, insbesondere im fortgeschrittenen Krankheitsstadium, mit auf den Weg?
Neben den Medikamenten sind die aktivierenden Therapien wie Physiotherapie, Logopädie und Sport eine gleichwertige Säule der Parkinson-Therapie. Verschiedene Symptome, die sich durch Medikamente nicht ausreichend bessern lassen, können durch gezieltes Training sehr wirkungsvoll angegangen werden. Nach heutigem Kenntnisstand lässt sich auch der Krankheitsverlauf bei der Parkinson-Erkrankung durch intensives und regelmäßiges Training beeinflussen. Außerdem verschaffen Sport und Bewegung den Betroffenen die Erfahrung, dass sie ihrer Erkrankung selbst wirksam entgegentreten können und ihr nicht hilflos ausgeliefert sind.