Interventioneller Ultraschall in der Medizin hat eine lange Tradition. Aber erst mit der Kombination verschiedener moderner Verfahren und der Fortentwicklung der Ultraschall- und Magnetresonanztechnologie (MRT), u. a. zur Zielführung im Gewebe und zum Erfassen des Therapieerfolgs, wurden neue Optionen für die minimal-invasive Behandlung von verschiedenen Tumoren und die funktionell-läsionelle Behandlung sowie die Modulation von Bewegungsstörungen geschaffen. Die Behandlungserfolge am Universitätsklinikum Bonn (UKB) sind vielversprechend.
Prof. Dr. U. Wüllner
Leiter Sektion Bewegungsstörungen, Klinik und Poliklinik für Neurologie am
Universitätsklinikum Bonn (UKB)
Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat das Verfahren des Magnetresonanztomografie gesteuerten fokussierten Ultraschalls (MRgFUS) zur interventionellen Neuromodulation bei Tremor zugelassen: 2016 für essentiellen Tremor (ET), 2018 für Tremor bei der Parkinsonkrankheit. Medikamentös therapieresistenter Tremor – obwohl kein lebensbedrohlicher Zustand – kann die Aktivitäten und die Lebensqualität der Betroffenen erheblich beeinträchtigen: Selbstständiges Essen und Trinken sind erschwert, die Verwendung vieler Geräte von der Zahnbürste bis zum Smartphone beeinträchtigt und eine breite Palette sozialer Aktivitäten wird eingeschränkt.
Durch die MR-basierte Neuronavigation ist präzise Lokalisation und Temperaturmonitoring der Ultraschalltherapie möglich, wobei bis zu 1.024 Ultraschallwellen – jede alleine unschädlich für das Hirngewebe – im Zielpunkt gebündelt werden können. In diesem Fokus wird die Schallenergie in thermische Energie umgewandelt. So können die gewünschten Zielpunkte in den Basalganglien und im Thalamus in der Tiefe des Gehirns inaktiviert werden, ohne den Schädel eröffnen zu müssen oder gesundes Gewebe zu schädigen. Durch die gezielte lokale Ausschaltung spezifischer Kerne und Verbindungen des Thalamus wird Tremor durchgreifend gelindert, was medikamentös häufig nicht gelingt. Die Prozedur erfolgt in mehreren Schritten, wobei die Temperatur im Zielgewebe sukzessive gesteigert wird. Zuerst wird bei Temperaturen um 45°C die exakte Lokalisation überprüft, dann werden bei Temperaturen um 50°C (noch reversible) therapeutische und unerwünschte Wirkungen durch aktive Rückmeldung der Behandelten abgeschätzt und ggf. die Positionierung optimiert. Erst dann erfolgen die therapeutisch dauerhaft wirksamen Sonifikationen. Von Juli 2018 bis Oktober 2020 wurden 46 Patienten mit medikamentenrefraktärem ET mit MRgFUS-Thalamotomie am Universitätsklinikum Bonn durch ein interdisziplinäres Team behandelt; dabei wurde direkt nach der Behandlung eine durchschnittliche Reduktion des Tremors um über 80 Prozent erreicht.
Klinische Studien haben die Sicherheit und Wirksamkeit von MRgFUS als “inzisionsloses” Verfahren bei der Behandlung von ET bestätigt: Eine follow-up-Studie mit den ersten behandelten Patienten in den USA belegt eine Verbesserung des Handzitterns um 56 Prozent und des Invaliditätsscores um 63 Prozent über den Zeitraum von vier Jahren nach der Thalamotomie.