Lange sprach Oliver mit niemandem über seine HIV-Infektion – bis er fast daran kaputtging. Jetzt sagt er der ganzen Welt: „Ich bin HIV-positiv!“
Mit Anfang 20 wusste Oliver nur wenig über HIV. Weil er Sex mit Männern hat, ließ er sich trotzdem regelmäßig testen. Das positive Ergebnis kam aber völlig überraschend. „Ein ziemlicher Schock“, erinnert sich Oliver.
Auf Anraten eines Freundes, „der nur das Beste für mich wollte, da bin ich sicher“, behielt er die Diagnose für sich. „Der Rat war fürsorglich gemeint und sollte mich vor Zurückweisung schützen. Aus heutiger Sicht war es aber total falsch. Dieses Nicht-darüber-Reden hat mich krank gemacht.“ Eine schlechte Erfahrung an seiner Uni belastete den Psychologiestudenten besonders. Mitstudierende aus dem Fachbereich Zahnmedizin erzählten stolz und spöttisch, wie sie eine HIV-positive Patientin runtergemacht hatten. Die hatte vor ihrer Behandlung nicht auf ihre Infektion hingewiesen – was auch nicht nötig ist, weil die üblichen Hygienestandards bei HIV völlig ausreichen. „Den Ekel, den ich da spürte, nahm ich persönlich und projizierte ihn auf mich. Und weil ich mit niemandem darüber sprach und alles in mich hineinfraß, ekelte ich mich irgendwann vor mir selbst.“
Oliver rutschte in eine Depression, geriet sogar in Suizidgefahr. „Ich habe gemerkt, ich muss mir dringend Hilfe suchen, ich kann so nicht weiterleben.“ Eine Psychotherapie brachte die Wende. Vor allem aber baute ihn der Kontakt mit anderen HIV-Positiven auf, er fuhr zu Jung-Positiven-Treffen und holte all die Gespräche nach, die er schon Jahre vorher gebraucht hätte. Er sah: Mit HIV kann man heute gut leben. Unter Therapie ist HIV auch nicht mehr übertragbar.
„Der Austausch hat mir wahnsinnig geholfen, ein entspanntes Verhältnis zu meiner Infektion aufzubauen. Nach und nach habe ich gelernt, dass offen über HIV zu sprechen mir selbst die Macht gibt mitzubestimmen, wie andere mich sehen.“ Deswegen macht Oliver jetzt komplett Schluss mit dem Schweigen. Im Rahmen der Welt-Aids-Tags-Kampagne von Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Deutsche Aidshilfe und Deutsche AIDS-Stiftung sagt er allen:
Ich bin positiv!
Mit seinem öffentlichen Coming-out möchte er deutlich machen: Darüber reden hilft. Er hofft, dass er damit Menschen dazu motiviert, ihr Wissen über HIV upzudaten und Vorurteile auf den Prüfstand zu stellen.
Mehr von Oliver und zum Leben mit HIV unter www.welt-aids-tag.de