Skip to main content
Home » Unsere Sinne » „Es ist schade, dass viele Menschen kein Wissen über Gehörlosigkeit und Gebärdensprache haben.“
  • Unsere Sinne

    „Es ist schade, dass viele Menschen kein Wissen über Gehörlosigkeit und Gebärdensprache haben.“

    Foto: Privat

    Ich wünsche mir Solidarität und das Interesse, Gebärdensprache zu erlernen. Außerdem Neugier und Offenheit gegenüber der Kultur von gehörlosen Menschen.

    Christine Eggert, Influencerin

    Christine Eggert ist zweifache Mutter und erfolgreiche Influencerin – und sie ist wie auch ihr Mann und ihre Kinder gehörlos. Sie erzählt uns, wie ihr Alltag als gehörlose Person aussieht und wie sie das Thema Gehörlosigkeit in die Mitte der Gesellschaft bringen möchte.

    Christine, du bist seit deiner Geburt gehörlos, und auch deine beiden Kinder wurden gehörlos geboren. Welche Herausforderungen birgt euer Alltag, sowohl für dich als Mutter als auch für deine Kinder?

    Ja, ich bin seit meiner Geburt taub und meine Kinder auch. In meiner Familie sind alle hörend, außer mein Bruder und ich. In unserem Alltag nutzen wir Gebärdensprache, es ist unsere Muttersprache. Auch meine Kinder identifizieren sich voll damit, dass wir taub sind. Barrieren und Herausforderungen gibt es für uns einige. Zum Beispiel ist es schwierig, aufgrund des Dolmetschermangels, kurzfristig Termine mit Übersetzerinnen zu bekommen. Auch in einem Notfall ist es Glückssache schnell einen Dolmetscherin zu bekommen. Es ist schade, dass viele Menschen kein Wissen über Gehörlosigkeit und Gebärdensprache haben. Selbst die Basics unserer Sprache könnte uns z. B. im Krankenhaus bei einem Notfall helfen. Kompliziert wird es zum Beispiel auch in einem Aufzug. Wenn dieser stecken bleibt, gibt es nur ein Telefon, mit dem man Hilfe rufen kann – für uns taube Menschen nicht möglich.

    Wie alt warst du, als du Gebärdensprache gelernt hast und hättest du es gern früher gelernt?

    Leider habe ich erst spät die Gebärdensprache erlernt und mich in meiner Identität, als taube Person, gefunden. Meine Eltern sind hörend und haben mit mir nicht in Gebärdensprache kommuniziert. Erst in einem Kindergarten für hörgeschädigte Kinder, also mit ca. fünf Jahren, habe ich begonnen die Gebärdensprache zu erlernen. Im Nachhinein hätte ich besser ab Geburt die Sprache erlernt.

    Wie unterscheidet sich deiner Meinung nach euer Familienalltag von dem einer „hörenden“ Familie? Habt ihr bestimmte Rituale?

    Unser Familienalltag ist wie bei allen, es gibt keine Unterschiede. Wir nutzen die Gebärdensprache, kommunizieren viel mit Mimik und Gestik. Für unsere Kommunikation benötigen wir Augenkontakt. Auch bei alltäglichen Dingen, wie Bücher vorlesen, gebärde ich die Geschichten, manchmal spreche ich auch. Anders als bei hörenden Familien sind unsere Hilfsmittel für den Alltag, zum Beispiel unsere Blitzanlage für die Hausklingel.

    Du und deine beiden Kinder haben das CochlearImplantat. Wie hat sich dein Leben damals durch das Implantat verändert?

    Mit Hilfe des Cochlear Implantats hören wir Geräusche und Stimmen. Wir können unsere eigene Stimme besser nutzen. Ohne CI hören wir garnichts. Es ist für uns persönlich ein großer Unterschied.

    Was war ausschlaggebend für ein Implantat bei deinen Kindern?

    usschlaggebend für das Implantieren dieser Hörhilfe war das Hören an sich. Mit dem Implantat können meine Kinder Geräusche und Stimmen hören. Dennoch hat die Gebärdensprache für uns weiterhin Priorität. Auch wenn meine Kinder und ich mit dem CI hören können, ist unsere Identität klar: Wir sind taube Menschen.

    Was wünschst du dir von deinen hörenden Mitmenschen im Umgang mit gehörlosen Menschen?

    Ich wünsche mir Solidarität und das Interesse Gebärdensprache zu erlernen. Außerdem Neugier und Offenheit gegenüber der Kultur von gehörlosen Menschen. Barrieren sollen verringert werden und eine Selbstverständlichkeit gegenüber unserer Hörschädigung und unser Leben. Überhaupt, ein Leben ohne Spaltung von Menschen und Ableismus. So meine Vorstellung von einem perfekten Miteinander.

    Next article