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Home » Unsere Sinne » Leben mit Parkinson – Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder im Interview
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Prof. Dr. med. Claudia Trenkwalder

Fachärztin für Neurologie

Foto: Privat

Wie sieht der typische Weg von den ersten Symptomen bis zur gesicherten Diagnose bei Patienten aus?

Erste Symptome einer Parkinson-Krankheit können bereits Jahre vor der endgültigen Diagnosestellung auftreten und werden oft dieser Krankheit gar nicht zugeordnet. Das können zum Beispiel ein verminderter Geruchssinn sein, eine Traumschlafstörung mit vermehrtem Sprechen im Schlaf (REM-Schlaf-Verhaltensstörung, RBD) und heftigen Bewegungen oder aber auch Verdauungsstörungen mit Verstopfung. Wenn dann spezifische Beschwerden in der Bewegung hinzukommen, wie zum Beispiel eine Verlangsamung im Gehen oder auch ein Zittern einer Hand wird oft als erstes der Hausarzt aufgesucht. Wir nennen die unspezifischen Vorboten einer Parkinson-Krankheit auch das Prodromalstadium, die Diagnose Parkinson-Krankheit wird aber erst gestellt, wenn Verlangsamung (Akinese), Steifigkeit (Rigor) und ein Zittern (Tremor) auftreten. Nicht jeder Betroffene leidet jedoch unter Zittern, die Symptome können sehr variabel sein und auch viele nicht-motorische Beschwerden beinhalten. Die Hausärzte erkennen meist frühzeitig, dass es sich um ein neurologisches Problem handelt und verweisen weiter an die Neurologen. Dort kann dann anhand der Symptome, der Vorgeschichte und mehreren technischen Untersuchungen die Diagnose gestellt werden. Besonders wichtig ist, dass jeder Patient oder Patientin über die Parkinson-Krankheit aufgeklärt wird, und mitgeteilt wird, dass es geeignete Behandlungen gibt, die individuell angepasst werden sollten. Dies kann mit Medikamenten erfolgen, sollte aber auch unbedingt mit einer Bewegungstherapie verknüpft sein. Obwohl Bewegung und vielleicht Ernährung einiges am Verlauf der Erkrankung verändern können, schreitet die Parkinson-Krankheit doch unweigerlich fort, auch die derzeitigen Medikamente, die eine Besserung der Symptome erreichen, können daran nichts verändern. In der Wissenschaft wird aber derzeit mit vielen verschiedenen Ansatzpunkten nach neuen Wegen gesucht, die Krankheit wirklich aufzuhalten oder gar zu stoppen.

Was ist das Wichtigste bei Therapieentscheidungen zu Parkinson?

Die Entscheidung, eine Behandlung mit Medikamenten zu beginnen, sollten der Neurologe oder die Neurologin gemeinsam mit dem Patienten oder der Patientin treffen und dabei berücksichtigen, wie stark eine Beeinträchtigung im Alltag vorhanden ist, ob noch eine Arbeitsfähigkeit erforderlich oder gewünscht wird oder wie gut die Eingliederung in das soziale Umfeld und die Familie ist. Eine Verlangsamung im Gehen kann so störend sein, dass der Patient oder die Patientin mit den Enkelkindern nicht mehr mithalten kann, oder ausgeschlossen wird von jeglicher sportlichen Aktivität. Der Therapiebeginn sollte individuell erfolgen und nicht zu spät einsetzen, um die Lebensqualität des Patienten oder der Patientin zu erhalten und zu verbessern. Bei Behandlungsbeginn sollten dann auch Medikamente ausgewählt werden, die individuell gut verträglich sind und keine Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten des Patienten oder der Patientin eingehen. Sowohl zu Beginn der Behandlung als auch im weiteren Verlauf sollten die einzelnen Substanzen und die Dosis den dem Fortschreiten der Erkrankung angepasst werden. Deshalb sollte auch eine regelmäßige Vorstellung beim Neurologen oder der Neurologin erfolgen, um dies jeweils gemeinsam zu entscheiden. Grundsätzlich sollte sich die Auswahl der Medikamente und eine eventuelle Kombination nach den Behandlungsleitlinien richten, die die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) erst kürzlich für die Parkinson-Krankheit neu zusammengestellt hat. Grundsätzlich wird man das Dopaminsystem, das bei der Parkinson-Krankheit beeinträchtigt ist, durch direkten oder indirekten Ersatz von Dopamin, einem Nervenüberträgerstoff, ergänzen. Dies erfolgt zu Beginn der Krankheit durch Tabletten. Jegliche medikamentöse Therapie sollte jedoch auch mit Bewegungstherapie, Sport, evt. Ergotherapie oder Logopädie kombiniert werden.

Nach welchen Regeln wird bei der Parkinson-Krankheit behandelt?

Im weiteren Verlauf der Behandlung sollte man immer darauf achten, dass die Lebensqualität des Patienten oder der Patientin im Mittelpunkt steht. Dies kann lange Zeit durch eine Veränderung der Tablettendosis, eine andere Verteilung über den Tag oder eine Kombination mit neuen Substanzen erfolgen. Man sollte aber auch Parkinson Erkrankte darauf hinweisen, dass das Dopaminsystem im Laufe der Jahre immer empfindlicher wird und dass Schwankungen im Bereich der zugeführten dopaminhaltigen Medikamente weniger gut toleriert werden. Es kann dann während des Tages zu Schwankungen der Beweglichkeit oder auch der Stimmung kommen.

Wie sieht eine therapeutische Patienten Journey typischerweise aus?

Man wird immer mit einer medikamentösen Therapie in Tablettenform beginnen eventuell auch in Form eines Pflasters. Erst wenn es zu deutlichen Schwankungen der Beweglichkeit kommt, das heißt wenn mehrfach am Tag und mit Dauer von ein bis zwei Stunden eine Unbeweglichkeit eintritt, sollte man überlegen, ob die Tabletteneinnahme wirklich noch ausreichend ist und nicht durch eine andere Therapieform, zum Beispiel eine Medikamentenpumpe, ergänzt werden kann. Bei den Medikamentenpumpen wird ein dopaminhaltiges Medikament aus einer kleinen Pumpe über ein Schläuchlein kontinuierlich unter die Haut gespritzt. Die Pumpe wird dabei meistens morgens angelegt und abends wieder abgenommen, damit den Tag über eine gleichmäßige Medikamentenwirkung erreicht werden kann. Alternativ gibt es auch Pumpen, die mit einem kleinen Magenschlauch durch die Bauchwand verbunden sind und direkt das Dopamin in den Dünndarm transportieren. Dort erfolgt dann eine gleichmäßige Aufnahme des Dopamins aus dem Darm ins Blut. Diese Methoden sind natürlich etwas aufwendiger als die ausschließliche Tabletteneinnahme, aber können die Probleme der Schwankungen der Medikamentenwirkung gut ausgleichen.

Eine andere Möglichkeit ist das Einsetzen eines Hirnschrittmachers. Vereinfacht gesagt, übernimmt der Hirnschrittmacher, der von außen gesteuert wird, die Aufgabe der dopaminhaltigen Tabletten in elektrischer Form: er stimuliert über zwei Elektroden, die in das Gehirn eingesetzt werden und mit einem Steuerungskästchen, das unter die Haut implantiert wird, die Bereiche im Gehirn elektrisch, die für die Beweglichkeit oder das Zittern zuständig sind.
Wann welche Methode angewandt werden sollte, ist ebenfalls nach den Behandlungs-Leitlinien individuell auszuwählen, und die dort aufgeführten Auswahlkriterien sollte jeder berücksichtigen, um das bestmögliche Therapie-Ergebnis für Parkinson Patienten zu erreichen.

Hier finden Sie alle Informationen zum Parkinson Service Programm von STADA

Gibt es eine Beratung für diese Therapien, wer führt dies durch?

Der Beginn einer Behandlung mit einer Medikamentenpumpe oder das Einsetzen eines Hirnschrittmachers ist bestimmten Experten-Zentren vorbehalten. Insbesondere für den Hirnschrittmacher benötigt man die Zusammenarbeit zwischen einem neurologischen Expertenzentrum für Parkinson und einer Neurochirurgischen Abteilung. Aber auch die Medikamentenpumpen werden üblicherweise in Spezialzentren oder in Fachkliniken für die Parkinson Krankheit eingesetzt und dort wird man auch die Patienten über die Wirkungen und Verträglichkeit der einzelnen Systeme beraten. Wichtig ist jedoch, dass der behandelnde Neurologe oder die Neurologin die Möglichkeiten kennt und die Patienten frühzeitig über diese Methoden informiert. Der Zeitpunkt kann für einen Patienten im Alter von fast Ende sechzig gekommen sein, da der Hirnschrittmacher möglichst bis Anfang siebzig eingesetzt werden sollte. Die Therapie mit einer Medikamentenpumpe kann in jedem Alter begonnen werden, und man sollte die Patienten auf diese Möglichkeit hinweisen, wenn Schwankungen nicht mehr ausreichend mit Tabletten behandelt werden können. Zu diesem Zeitpunkt sollte man dann auch überlegen, die Patienten in einem Spezialzentrum einmal vorzustellen.

Es kamen und kommen in den letzten Monaten neue (gerätegestützte) Therapien auf den Markt, wie schätzen Sie die derzeitige Situation bei den gerätegestützten Therapien ein? (Haben Sie evtl. einen Favoriten?)

Das sehe ich als einen großen Vorteil für die Patienten. Es gibt große Unterschiede in der individuellen Verträglichkeit, auch der Wirksamkeit einzelner Substanzen, abhängig von den Symptomen der Patienten. Da ist es ein Gewinn, wenn wir jetzt eine etwas größere Auswahl an Systemen haben, die bei den Patienten mit Wirkungsschwankungen, also dem oft sehr schnellen Wechsel von Phasen mit Unbeweglichkeit zu Phasen mit guter oder sogar Überbeweglichkeit (Dyskinesien), eine „Glättung“ der Beweglichkeit erreichen. Jeder ist natürlich neugierig, wie das Dopamin in der erst kürzlich zugelassenen Pumpentherapie, die jetzt erstmals auch eine Anwendung unter die Haut möglich macht, auch langfristig wirkt und welche Vor- und Nachteile die Patienten in der Langzeitanwendung berichten werden. Auch hier wird es individuelle Unterschiede geben. Bei länger auf dem Markt befindlichen Substanzen wie dem Apomorphin, das ebenso unter die Haut gespritzt wird, sind die langfristigen Vor- und Nachteile gut bekannt, da es das erste Präparat war, das über eine Pumpentherapie verfügbar war. Für die Patienten ist natürlich auch wichtig, wie einfach oder kompliziert eine Pumpe in der Handhabung ist, ob man verschiedene Dosierungen einstellen kann und wer ihnen hilft, falls die Pumpe einmal ausfällt oder es technische Schwierigkeiten gibt. Mittlerweile gibt es fachlich gut geschulte Patientenservice-Kräfte, die eine Betreuung zu Hause übernehmen können bzw. Angehörige oder einen Pflegedienst anleiten können. Das Entscheidende ist jedoch immer, wie wohl fühlt sich der Patient oder die Patientin mit der Methode, und kann es eine langfristige Behandlung werden, die die Lebensqualität der Betroffenen erhält.

2023_0263 02/2024

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